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Allergietests aus dem Netz - nutzlos bis gefährlich?

Viele Menschen glauben, an einer Nahrungsmittelallergie zu leiden. In der Hoffnung, Gewissheit zu erhalten, bestellen sie Allergietests im Internet. Österreichische Verbraucherschützer haben jetzt in Kooperation mit dem Allergiezentrum in Wien-Floridsdorf (FAZ) zehn dieser Tests untersucht.

Die geprüften Testkits kosten zwischen 16 und 99 Euro. Je zehn Probanden bestellten sie im Internet und führten die Tests gemäß der beiliegenden Produktbeschreibung durch. Anschließend unterzogen sie sich im Floridsdorfer Allergiezentrum einer wissenschaftlich evaluierten Diagnose.

Die Note „empfehlenswert“ erreichte keines der Testkits. Denn immer fehlte das orientierende Beratungsgespräch mit einem Facharzt oder einer Fachärztin. Bei einem der Produkte stimmten die Ergebnisse zwar in hohem Maße mit den klinischen Allergietests überein, doch die Probanden erhielten lediglich ein Blatt mit Laborwerten zugesandt – ohne laienverständliche Erklärung.

Vier der Produkte stuften die Experten dennoch als „eingeschränkt empfehlenswert“ ein. Der Grund: Sie arbeiteten mit wissenschaftlich anerkannten Methoden wie dem Nachweis von Immunglobulin E (IgE), dem H2-Atemtest bei der Prüfung auf Laktoseintoleranz und Fruktosemalabsorption oder dem Nachweis von Immunglobulin A (IgA) bei dem Test auf die Autoimmunkrankheit Zöliakie

 

Zweischneidige Selbsttests

Doch hier zeigt sich, wie zweischneidig Selbsttests sind, auch bei anerkannten Analysemethoden:  Laut der Deutschen Gesellschaft für Zöliakie funktioniert der Test auf IgA-Antikörper bei drei bis sieben Prozent der Zöliakie-Betroffenen nicht. Auch bei Internet-Anbietern von IgE-Nachweisen kann einiges schiefgehen: So zeigte ein Testprodukt bei drei von zehn Personen eine Milchallergie, obwohl gar keine vorlag. Bei einer weiteren Person wurde hingegen eine sehr schwere Milchallergie übersehen, die laut FAZ bei Kontakt mit einem Milchprodukt sogar zu einem anaphylaktischen Schock hätte führen können. Konsequenz: Die Experten stuften das Testkit als „nicht empfehlenswert für den Hausgebrauch“ ein.

Dieses Verdikt ereilte auch fünf weitere frei verkäufliche Tests. Der Grund: Allesamt verwandten sie den Nachweis so genannter IgG-Antikörper. Diese sind jedoch nach übereinstimmender Ansicht mehrerer europäischer Fachgesellschaften zur Diagnose von Nahrungsmittelallergien völlig ungeeignet. Man kann sie, so haben zahlreiche Forscher herausgefunden, nach dem Genuss bestimmter Nahrungsmittel häufig nachweisen, auch wenn die Lebensmittel gut vertragen werden und keinerlei Krankheitssymptome auslösen.

Zu diesem Ergebnis kamen auch die österreichischen Konsumentenschützer. Zwischen zwei und 20 lag die Zahl der angeblichen Allergien oder Unverträglichkeiten, die bei Verwendung von IgG-Testkits auftauchten, aber in klinischen Untersuchungen nicht bestätigt werden konnten. Verbraucher, die sich auf IgG-Tests aus dem Internet verlassen, halten sich irrigerweise für krank und verzichten auf Lebensmittel, die ihnen gar nicht schaden. Dies kann, so warnen die Verbraucherschützer, unter Umständen zu gesundheitsgefährdenden Mangelerscheinungen führen.

 

Quellen:

Verbraucherzeitschrift „Konsument“ hrsg.: Finger weg! In: Konsument 12/2017, S. 14-17

Dieser Artikel ist unterwww.konsument.at online erhältlich, aber größtenteils kostenpflichtig  (online-Tagespass 5 €)

 

Kleine-Tebbe, Jörg et al.: Leitlinie IgG-Antikörper gegen Nahrungsmittel. Keine Empfehlung für IgG- und IgG4-Bestimmungen gegen Nahrungsmittel.In: Allergo J 2009; 18: 267–73