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Stress und Kratzen

Eine kleine Studie deutet darauf hin, dass Menschen mit Neurodermitis unter Stress dazu neigen, sich vermehrt zu kratzen. Dies könnte den Teufelskreis aus Juckreiz und Kratzen befeuern. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin ‚British Journal of Dermatology‘ veröffentlicht. Auf künstlich ausgelösten Juckreiz selbst hingegen hat Stress einen unerwarteten Effekt.

Viele Patienten mit Neurodermitis (atopische Dermatitis) berichten, dass Stress ihren Juckreiz verstärkt. Bisher war allerdings unklar, wie genau akuter Stress das Jucken sowie das Kratzverhalten beeinflusst. Um diesen Zusammenhang zu untersuchen, setzten Forschende 31 Personen einem künstlichen Juckreiz und akutem Stress aus. 16 von ihnen hatten gesunde Haut, 15 hatten Neurodermitis.

Zu Beginn des Versuchs sollten die Teilnehmenden in Ruhe ihr Stresslevel angeben, auf einer Skala von 0 (völlig entspannt) bis 10 (extrem gestresst). Daraufhin gaben die Forschenden Pflanzenhaare der Juckbohne auf die Unterarme der Probanden. Diese enthalten einen Stoff, der die Haut reizt und einen sehr unangenehmen Juckreiz auslöst. Die Probanden wurden angewiesen, ihre juckenden Unterarme nicht zu kratzen. Andere Stellen an ihrem Körper durften sie hingegen kratzen.

Nun wurden die Teilnehmer dem Trier Social Stress Test ausgesetzt, einer etablierten Methode, um zu analysieren, wie Menschen in einer Stresssituation reagieren. Der Test bestand aus einem fingierten Vorstellungsgespräch und einer mündlichen Rechenaufgabe. Nach dem Test stuften die Probanden ihr Stressgefühl erneut ein. Während der gesamten Zeit wurde ihr Kratzverhalten von einer Videokamera dokumentiert.

Zur Kontrolle diente eine entspannte Situation. Dafür wurde den Personen an einem weiteren Termin ein Video mit Landschaften gezeigt. Die übrigen Rahmenbedingungen blieben gleich.

 

Auch der Juckreiz ändert sich unter Druck 

Die Ergebnisse der Videoanalyse und Fragebögen zeigten teils vermutete, teils unerwartete Zusammenhänge. So schien der Stress den Juckreiz, der künstlich durch die Bohnen ausgelöst wurde, bei Neurodermitikern zu dämpfen. Sie spürten ihn während des Gesprächs und dem Rechnen weniger als zuvor. Das Kratzverhalten hingegen wurde durch den Stresstest verstärkt. Personen mit atopischer Dermatitis kratzten währenddessen vermehrt an unterschiedlichen Körperstellen, die vorher nicht mit dem Juckpulver behandelt worden waren.  Beide Zusammenhänge wurden bei den gesunden Kontrollpersonen nicht beobachtet. Weder kratzten sie mehr unter Stress, noch änderte der Test die Stärke ihres Juckreizes.

Die Forscher schreiben, dass stressbedingtes Kratzen ein interessantes Therapieziel sein könnte. Da die Zahl der Teilnehmenden sehr klein war, ist bisher noch fraglich, ob sich die Effekte bei vielen Menschen mit Neurodermitis zeigen. Dennoch ist die Studie ein weiterer Hinweis darauf, dass  Neurodermitiker Strategien brauchen, um in stressigen Zeiten ihre Haut nicht zu sehr zu malträtieren. Dies ist umso wichtiger, da Kratzen die Haut beschädigt und dadurch den Juckreiz noch verstärkt. Verhaltensweisen, um Kratzen zu vermeiden sowie Entspannungsmethoden kann man beispielsweise in Neurodermitis-Schulungen erlernen.

 

Quelle:

Mochizuki, H., et al.: Impact of Acute Stress on Itch Sensation and Scratching Behavior in Atopic Dermatitis Patients and Healthy Controls. In: British Journal of Dermatology, 2018. doi: 10.1111/bjd.16921