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Penicillinallergie leistet Krankheiten Vorschub

Menschen mit der Diagnose „Penicillin-Allergie“ in der Vorgeschichte haben ein deutlich höheres Risiko, in Zukunft an MRSA oder dem Darmkeim Clostridium difficile zu erkranken. Dies berichtet ein Forscherteam im British Medical Journal. Zu vermeiden wäre das leicht, sagen die Forscher. Denn die Diagnose „Penicillin-Allergie“ erweist sich in den allermeisten Fällen als falsch.

MRSA ist ein so genannter Krankenhauskeim, eine Variante des Bakteriums Staphylococcus aureus,  die gegen den Antibiotika-Wirkstoff Methicillin (in Europa auch: Oxicillin) unempfindlich (resistent) geworden ist. Er kann bei immungeschwächten Personen, vor allem im Krankenhaus, zu schweren Infektionen führen. Menschen mit der Diagnose „Penicillin-Allergie“ erhalten bei Bedarf keine Penicilline mehr, sondern sogenannte Breitbandantibiotika, die gegen viele unterschiedliche Bakterien wirken und üblicherweise bei schweren Infektionen eingesetzt werden, bei denen Eile geboten ist. Darunter waren in der Studie auch Wirkstoffe wie Vancomyzin und Linezolid, die eigentlich ausschließlich für MRSA-Patienten reserviert sind (Reserve-Antibiotika). Der verstärkte Gebrauch dieser Breitbandantibiotika führt dazu, dass Bakterien verschiedene Resistenzen entwickeln können.

Ganz ähnlich ist der Zusammenhang beim Darmkeim Clostridium difficile. Er führt zu schmerzhaften Entzündungen und kann nach längeren Antibiotika-Therapien auftreten. Breitband-Antibiotika töten viele harmlose Darmkeime ab, sodass sich der Clostridium-Keim ungehindert vermehren kann.

 

Riesiger Datensatz

Das US-Forscherteam um Kimberley Blumenthal wollte nun prüfen, ob Menschen, die als allergisch gegen Penicilline gelten, tatsächlich anfälliger sind für Infektionen mit MRSA- und Clostridium difficile-Keimen. Im Rahmen einer bevölkerungsbasierten Kohortenstudie analysierten sie Daten aus dem britischen Health Improvement Network (THIN), einer Datenbank von mehr als elf Millionen Patienten im Vereinigten Königreich. Arzneimittelallergien sind darin genauso verzeichnet wie Diagnosen und Klinikaufenthalte. Für jeden vermeintlichen Penicillinallergiker wählten sie bis zu fünf Nichtallergiker gleichen Alters und Geschlechts aus und verfolgten deren „Patientenkarrieren“ sechs Jahre lang. Am Ende hatten sie anonymisierte Daten von 64 141 Menschen mit vermeintlicher Penicillin-Allergie und 237 258 Vergleichspersonen.

Ergebnis: Die Penicillin-Allergiker hatten ein um 69 Prozent höheres Risiko als die Vergleichsgruppe, eine MRSA-Infektion zu bekommen. Bei Clostridium difficile lag das Risiko um 26 Prozent höher. In absoluten Zahlen entwickelten von den 64 141 Patienten mit Allergiediagnose 442 entweder eine MRSA-Infektion oder einen Befall mit dem Darmkeim. Die gesunde Vergleichsgruppe war mit 237 258 Menschen etwa dreimal so groß. Dort bekamen aber nur 923 Menschen MRSA und 1246 den Clostridien-Keim.

 

Allergiediagnose nachprüfen

Dass die Diagnose „Penicillin-Allergie“ in bis zu 95 Prozent der Fälle nicht (mehr) zutrifft, ist in der Wissenschaft seit vielen Jahren unumstritten. Gründe dafür gibt es einige. Bei 80 Prozent der Erkrankten verliert sich die Sensibilisierung auf Penicillin nach spätestens zehn Jahren. Auch kann ein Symptom von Anfang fehlinterpretiert worden sein, etwa ein viral bedingter Ausschlag oder ein plötzlich auftretender Kopfschmerz als Allergie. Obwohl all dies bekannt ist, werden in den USA nur 0,1 Prozent der Patienten mit der Diagnose „Penicillinallergie“ einer Überprüfung unterzogen. Fast immer landet die Diagnose lediglich aufgrund eines unbestätigten Patientenberichts in den Krankenakten. Dabei sind die Allergietests unaufwendig. Wenn die allergologische Überprüfung dieser Diagnose auch im ambulanten Bereich zur Regel wird, so die Schlussfolgerung der Autoren, könnten viele schwere Erkrankungen vermieden werden.

Quelle:

Blumenthal K. et al.: Risk of meticillin resistant Staphylococcus aureus and Clostridium difficile in patients with a documented penicillin allergy: population based matched cohort study. In: BMJ 2018; 361 (published 27 June 2018)