Patientenforum Allergie 2018 in München rundum gelungen

Rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer besuchten das erste Patientenforum Allergie des Allergieinformationsdienstes des Helmholtz Zentrums München. Das Thema „Ernährung und Haut im Fokus – Nahrungsmittelallergien und Neurodermitis“ lockte zahlreiche Betroffene und ihre Angehörigen, aber auch Fachpersonal wie Ärztinnen und Ärzte sowie Ernährungsberaterinnen und -berater. Geboten wurden verständliche und praxisorientierte Vortrage hochkarätiger Referenten und viele Gelegenheiten, eigene Fragen zu stellen sowie der Austausch mit anderen Betroffenen.
Eine Lebensmittelallergie feststellen und behandeln

Den Auftakt der Veranstaltung bildete der Vortrag von Privatdozentin Dr. Katharina Blümchen (Universitätsklinikum der Goethe-Universität, Frankfurt) zu den aktuellen Therapiemöglichkeiten bei Nahrungsmittelallergien, insbesondere der Erdnussallergie. Hier spielt aktuell die orale Immuntherapie eine vielversprechende Rolle, die sich durch eine gute Wirksamkeit auszeichnet, aber zum Teil starke Nebenwirkungen hervorrufen kann.
Als weitere Behandlungsmöglichkeiten stellte sie die epikutane („Allergiepflaster“) und die sublinguale Immuntherapie vor, die jeweils besser verträglich sind als die orale Hyposensibilisierung, jedoch weniger wirksam. Zukünftig könnte eine Kombination aus verschiedenen Formen der Immuntherapie der Schlüssel zu bester Wirksamkeit bei gleichzeitig geringen Nebenwirkungen sein. Aktuell ist allerdings noch kein Präparat zur Hyposensibilisierung bei einer Erdnussallergie zugelassen.

Im Anschluss daran erläuterte Prof. Jörg Kleine-Tebbe (Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie, Berlin) lebendig und anschaulich die Grundzüge der molekularen Allergiediagnostik. Diese ermöglicht es, bei einer Lebensmittelallergie herauszufinden, auf welches Allergen Betroffene genau reagieren. Dies kann eine Rolle spielen, wenn zum Beispiel nur Lebensmittelallergene nicht vertragen werden, die durch Hitze zerstört werden können. In diesem Fall könnte etwa ein Nussallergiker erhitzte Nüsse verzehren und müsste nur auf den Konsum roher Nüsse verzichten. Darüber hinaus kann durch die molekulare Allergiediagnostik eingeschätzt werden, wie hoch das Risiko für schwere allergische Reaktionen ist.
Ernährung und Haut – ein Wechselspiel

Im zweiten Teil der Veranstaltung ging es um das Wechselspiel zwischen Ernährung und Haut. Dr. Imke Reese (Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie, Ernährungsberaterin, München) verdeutlichte in ihrem sehr praxisbezogenen Vortrag, dass nicht alle Betroffenen mit Neurodermitis eine Lebensmittelallergie haben. Umgekehrt entwickeln allerdings etwa 90 Prozent der Kinder mit einer Nahrungsmittelallergie auch eine Neurodermitis.
Die Expertin warnte eindringlich vor voreiligen Diäten allein auf Grundlage eines Allergietests. Sie wies darauf hin, dass ein Allergietest wie ein Bluttest nur auf eine Sensibilisierung gegen ein Allergen hindeuten. Eine Allergie liegt nur dann vor, wenn tatsächlich auch Symptome auftreten. Bei einer vorhandenen Sensibilisierung ohne Allergie-Symptome plädierte sie für einen regelmäßigen Konsum des jeweiligen Lebensmittels, um einer Allergie vorzubeugen.

Prof. Claudia Traidl-Hoffmann (Helmholtz Zentrum München, Klinikum Augsburg) stellte den aktuellen Wissensstand zum Einfluss des Mikrobioms vor, also der bakteriellen Besiedelung der Haut. Zwar steckt die Mikrobiomforschung noch in den Kinderschuhen. Es ist jedoch bekannt, dass Menschen mit Neurodermitis vermehrt den Bakterienstamm Staphylococcus aureus auf der Haut tragen. Gleichzeitig sind weniger andere, „gute“ Bakterien zu finden.
Als Behandlungsansatz der Zukunft gelte es daher, „gute“ Bakterien auf der Haut zu fördern und „schlechte“ Bakterien wie Staphylococcus aureus zurückzudrängen. Von Mikrobiomanalysen riet Prof. Traidl-Hoffmann dagegen ab: Nach heutigen Wissensstand lässt sich noch nicht beurteilen, wie das Mikrobiom genau aussehen sollte und wie es beeinflusst werden kann.
Wie lässt sich eine Neurodermitis behandeln?

Im letzten Veranstaltungsteil erläuterte Prof. Kilian Eyerich (Klinikum rechts der Isar, München) die Behandlung der Neurodermitis in einem interaktiven Vortrag, bei dem er direkt auf alle Fragen aus dem Publikum einging. Er betonte, dass Cortison nach wie vor unverzichtbar ist. Dabei gibt es grundsätzlich die Möglichkeit der reaktiven Therapie, bei der sofort mit Cortison behandelt wird, sobald ein Ekzem auftritt. Auf der anderen Seite steht die proaktive Therapie, bei der dauerhaft zweimal wöchentlich Cortison auf die betroffenen Hautareale aufgetragen wird. Studien zufolge sinkt der Bedarf an dem Wirkstoff durch die proaktive Therapie.
Darüber hinaus stellte Prof. Eyerich den neu zugelassenen Wirkstoff Dupilumab vor. Erwachsene mit Neurodermitis, die auf eine systemische Behandlung angewiesen sind, können diesen Antikörper erhalten, wenn der Standard-Wirkstoff Cyclosporin für sie nicht infrage kommt oder wenn sie bereits zu lange damit behandelt wurden.

Privatdozentin Dr. Christina Schnopp (Klinikum rechts der Isar, München) präsentierte das Konzept der Patientenschulung bei Neurodermitis. Ziel ist es, die Betroffenen zu Experten der eigenen Erkrankung zu machen und alle Fragen zu klären, für die in der Arztsprechstunde aufgrund der kurzen Kontaktzeiten die Zeit fehlt. Zentrale Inhalte sind dabei neben Grundlagen der Erkrankung unter anderem psychosoziale Einflussfaktoren sowie Bewältigungsstrategien.
Bislang ist die Neurodermitis-Schulung nur für Kinder eine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen. PD Dr. Schnopp stellte eine Studie mit Erwachsenen vor, die zeigt, dass die Patientenschulung auch hier sehr gute Erfolge zeigt.

Neben den hochkarätigen Vorträgen hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Möglichkeit, sich an Infoständen des Allergieinformationsdienstes sowie verschiedener Selbsthilfegruppen zu informieren. Insgesamt zeigten sich sowohl die Besucherinnen und Besucher als auch die Veranstalter sehr zufrieden mit dem ersten Patientenforum Allergie.
Vorträge des Patientenforums Allergie in München
Die Vorträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Referenten. Die Nutzung ist nur für private Zwecke gestattet.
Allergiepflaster und mehr – Was gibt es Neues aus der Therapie-Forschung zu Nahrungsmittelallergien?
PD. Dr. Katharina Blümchen, Universitätsklinikum der Goethe-Universität, Frankfurt
Molekulare Allergiediagnostik – Wie kann sie bei Nahrungsmittelallergien helfen?
Prof. Dr. Jörg Kleine-Tebbe, Deutsche Gesellschaft für Allerogologie und klinische Immunologie, Öffentlichkeitsarbeit, Berlin
Wechselspiel – Wie beeinflussen sich Ernährung und Hautgesundheit? (Vortrag auf Anfrage unter info@allergieinformationsdienst.de erhältlich)
Dr. Imke Reese, Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie, AG Nahrungsmittelallergie, München
Mikrobiom – Welche Rolle spielen Mikroorganismen wie Bakterien bei allergischen Erkrankungen?
Prof. Dr. Claudia Traidl-Hoffmann, Helmholtz Zentrum München, Klinikum Augsburg
Hilfe für die Haut – Welche neuen Neurodermitis-Therapien sind in Sicht?
Prof. Dr. Kilian Eyerich, Klinikum rechts der Isar, München
Neurodermitis-Schulung – Wie kann sie Betroffene unterstützen?
PD Dr. Christina Schnopp, Klinikum rechts der Isar, München