Forschungsansätze zu Anaphylaxie

Eine sehr wichtige Frage, die in den Arbeitsgruppen der Allergieverbände gerade besprochen wird, betrifft die Vereinheitlichung der Diagnose- und der Schweregrad-Kriterien, da es hierzu international keine übereinstimmende Klassifikation gibt.

Weiterhin wird erforscht, warum anaphylaktische Reaktionen in den letzten Jahren in allen westlichen Ländern zunehmend häufiger beobachtet werden und welches besondere Risikofaktoren für das Auftreten sind (zum Beispiel auslösende Allergenstruktur, Alter, Geschlecht, Einnahme von Betablockern). Hier engagiert sich in Deutschland und Europa das Network for Online Registration of Anaphylaxie (NORA).

 

Den Mechanismus der Anaphylaxie verstehen

Im Hinblick auf den Verlauf der Erkrankung fand ein französisches Forschungsteam heraus, dass Mastzellen als Reaktion auf einen Allergenkontakt nicht nur Entzündungsbotenstoffe wie Histamin produzieren, sondern in Einzelfällen auch gleich die gesamten Vorratskammern (secretory granules), welche die Entzündungsbotenstoffe enthalten, an die Zelloberfläche entsenden. So wird auf einmal extrem viel Histamin ausgeschüttet. Wenn das gleichzeitig in mehreren Organsystemen passiert, entsteht das Krankheitsbild der lebensbedrohlichen Anaphylaxie.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entdeckten auch den „Motor“ dieses Transportvorganges, den Botenstoff Kinesin-1. An Mäusen konnten sie nachweisen, dass die Entfernung eines Bestandteils von Kinesin-1 dazu führte, dass wesentlich weniger secretory granules die Zelloberfläche erreichten. In der Konsequenz waren bei diesen Mäusen die allergischen Reaktionen weit schwächer ausgeprägt. Das Forscherteam hofft jetzt, diesen Mechanismus einmal durch Medikamente steuern zu können.

An der Stanford University School of Medicine wurde versucht herauszufinden, wie sich das Krankheitsbild der Anaphylaxie entwickelt hat, und ob es ursprünglich möglicherweise einem Zweck diente. Dabei stellten sie fest, dass im Tiermodell eine systemische Aktivierung von Immunzellen und die Ausschüttung verschiedener Enzyme eine Vergiftung mit Bienen- und Viperngift bekämpft.

 

Wer ist besonders gefährdet für eine schwere Reaktion?

Welche Faktoren dazu führen, dass eine anaphylaktische Reaktion eher schwer verläuft, versuchten Forschende aus Südkorea herauszufinden. Ein schwerer Verlauf mit Herzkreislauf-Symptomen war häufiger bei Medikamenten-induzierten Anaphylaxie zu beobachten. Urtikaria und andere Hautsymptome traten hingegen deutlich häufiger bei einer Nahrungsmittel-induzierten Anaphylaxie auf. Risikofaktoren für schwere Verläufe der Anaphylaxie waren höheres Alter, männliches Geschlecht sowie eine Reaktion auf Medikamente. Die Zahl der analysierten Fälle war mit 199 allerdings nicht so hoch, dass man die Ergebnisse gut verallgemeinern könnte.

Schwer zu erforschen sind verschiedene Behandlungsoptionen, da es sich bei einer akuten Anaphylaxie um einen lebensbedrohlichen Zustand handelt und mögliche Alternativen zum wirksamen Adrenalin daher nicht in klinischen Studien getestet werden können. Für die therapeutische Versorgung werden Strategien geprüft, wie auch bei Nahrungsmitteln vielleicht eine Hyposensibilisierung zur Toleranzentwicklung führen kann (zum Beispiel orale Immuntherapie bei Erdnussallergie).

Zudem beschäftigen sich Forschende mit der Frage, wie zuverlässig Betroffene ihr Notfallset im Alltag griffbereit haben und wie dies verbessert werden kann. 

Wissenschaftliche Beratung

Prof. Dr. Regina Treudler
Universitätsklinikum Leipzig, Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Leipziger Centrum für Allergologie (LICA)

E-Mail: Allergie-HautkliniknoSp@m@medizin.uni-leipzig.de

Quellen:

Die hier aufgeführten Leitlinien und Aufsätze richten sich, so nicht ausdrücklich anders vermerkt, an Fachkreise. Ein Teil der hier angegebenen Aufsätze ist in englischer Sprache verfasst.

Letzte Aktualisierung:

04. Dezember 2018