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Neurodermitis
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Forschungsansätze zu Neurodermitis

Bei 40 Prozent aller Kinder mit Neurodermitis geht die Krankheit bis zum Erwachsenenalter zurück (Remission). Das Schweizer Center for Allergy Research and Education (CK Care) in Davos, eine private Stiftung, hat begonnen, die Ursachen dieses Vorgangs systematisch zu erforschen. Ziel ist, aus dem natürlichen Prozess neue Behandlungsstrategien abzuleiten.

Wissenschaftliche Beratung:

Prof. Dr. Claudia Traidl-Hoffmann, UNIKA-T Augsburg/TU München, Institut für Umweltmedizin

E-Mail: claudia.traidl-hoffmann@tum.de

Bei 40 Prozent aller Kinder mit Neurodermitis geht die Krankheit bis zum Erwachsenenalter zurück (Remission). Das Schweizer Center for Allergy Research and Education (CK Care) in Davos, eine private Stiftung, hat begonnen, die Ursachen dieses Vorgangs systematisch zu erforschen. Ziel ist, aus dem natürlichen Prozess neue Behandlungsstrategien abzuleiten.

Wissenschaftliche Beratung:

Prof. Dr. Claudia Traidl-Hoffmann, UNIKA-T Augsburg/TU München, Institut für Umweltmedizin

E-Mail: claudia.traidl-hoffmann@tum.de

Viele Krankheitsmechanismen der Neurodermitis sind noch nicht genau verstanden. Die Arbeitsgruppe „Experimentelle Dermato-Immunologie“ an der TU München beispielsweise befasst sich mit der Frage, welche Auslöser zur Chronifizierung der Neurodermitis und anderer Hauterkrankungen führen. Die Arbeitsgruppe „Klinisch-experimentelle Allergologie“ an derselben Universität legt einen Schwerpunkt auf die genaue Erforschung des Juckreizes.

Der Antikörper Fezakinumab

Der Antikörper Fezakinumab richtet sich gegen den Botenstoff Interleukin-22 und kann so Entzündungsreaktionen unterbinden. Eine deutsch-amerikanische Forschergruppe unter Beteiligung des Helmholtz Zentrums München hat den Wirkstoff im Rahmen einer klinischen Studie zur Behandlung schwererer Formen von Neurodermitis getestet. Die Autoren berichten, dass sich durch den Wirkstoff die Gesamtfläche der von Ekzemen betroffenen Haut verringerte. Zudem verbesserte sich der sogenannte SCORAD-Index, ein Zahlenwert, der sich aus sechs typischen Veränderungen bei Neurodermitis zusammensetzt. Vor allem bei schwerer Neurodermitis war die Verbesserung signifikant.

Auch weitere Antikörper-Wirkstoffe werden aktuell auf ihre Wirksamkeit gegen Neurodermitis und Juckreiz in klinischen Studien getestet. Nemolizumab etwa zeigte gute Ergebnisse bei der Linderung von Juckreiz. Lebrikizumab konnte Neurodermitis-Symptome etwas besser lindern als Placebo, in einer 2018 veröffentlichten klinischen Studie.

Crisaborol

2016 wurde in den USA ein neuer Wirkstoff in Salbenform zur Behandlung milder und moderater Formen von Neurodermitis zugelassen: Crisaborol ist ein PDE-4-Hemmer (Phosphodiesterase-4) mit entzündungshemmenden Eigenschaften. Seine Wirkung scheint allerdings geringer zu sein als die von Kortison-Creme oder Calcineurin-Inhibitoren. In Europa ist der Wirkstoff bislang nicht zugelassen. Weitere PDE-4-Hemmer werden derzeit getestet.

JAK-Hemmer

Inhibitoren der Janus-Kinase (JAK) zeigten in ersten Studien ebenfalls einen lindernden Effekt auf die Hauterkrankung. Verschiedene Wirkstoffe werden sowohl für die äußere als auch für die innere Anwendung untersucht. Bisher ist keiner von ihnen in Europa zugelassen.

Neue Zielstrukturen

Eine genetische Studie fand bei einigen Patienten eine Mutation im CARD 11-Gen, das im Stützgerüst von Lymphozyten eine Rolle spielt. Es gibt Hinweise darauf, dass eine Zufuhr von Glutamin in diesem Fall Beschwerden lindern kann. Klinische Studien sollen zeigen, inwieweit dies bestimmten Patienten hilft.

Haut-Mikrobiom: Bakterientransplantate

Untersuchungen zeigten, dass auf der Haut von Menschen mit Neurodermitis weniger nützliche und mehr schädliche Bakterien leben als auf gesunder Haut. Vertreter von  Roseomonas mucosa etwa trägt nur jeder 5. Mensch mit atopischer Dermatitis auf der Haut, während 70 Prozent der Testpersonen ohne die Hauterkrankung diese Bakterien aufweisen. Diese Bakterien produzieren Fette, die die Barrierefunktion der Haut stärken – und bestimmte schädliche Bakterien in Schach halten. Selbst wenn Neurodermitiker von Roseomonas-Bakterien besiedelt waren, war deren Fettproduktion oft eingeschränkt. 

Eine schädliche Sorte Bakterien wiederum tummelt sich besonders auf Neurodermitis-Haut: Der Großteil der Menschen mit Neurodermitis weist den Keim Staphylococcus aureus auf. Er kann Schübe der Erkrankung verschlimmern und schwere Hautinfektionen verursachen. Das äußere Mikrobiom ist also ein interessanter Ansatzpunkt für Therapien. 

Tatsächlich zeigten Studien mit – bisher – kleinen Gruppen von Testpersonen Erfolge. Ein Spray mit Zuckerwasser und R. mucosa von der Haut gesunder Personen konnte die Beschwerden von 10 Erwachsenen und 5 minderjährigen Neurodermitis-Patienten um 65 Prozent mindern. In einer Studie, die im Mai 2018 veröffentlicht wurde, verringerte eine Lotion mit bestimmten Staphylokokken außerdem die Zahl der schädlichen Staphylococcus aureus-Bakterien um 90 Prozent auf der Haut von 14 Probanden mit Neurodermitis. Letzterer Versuch wurde doppelblind und Placebo-kontrolliert durchgeführt. 

Sollten größere, Placebo-kontrollierte Studien die ersten positiven Hinweise bestätigen, könnte in Zukunft ein Transplantat mit bestimmten Hautbakterien die Neurodermitis-Behandlung ergänzen. Noch ist aber weitere Forschung nötig, um die Wirksamkeit zu bestätigen und die optimale Zusammensetzung und Anwendung zu finden. 

Video: Was hat das Mikrobiom mit Allergien zu tun?

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Langzeitwirksamkeit von Therapien

TREATGermany heißt ein neues Forschungsprojekt, das künftig belastbare Aussagen zur Langzeit-Wirksamkeit von Systemtherapien bei Neurodermitis ermöglichen soll. Es handelt sich um eine Beobachtungsstudie an Betroffenen mit moderater bis schwerer Neurodermitis, die über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren beobachtet und regelmäßig untersucht werden. Ziel ist, Informationen für evidenzbasierte klinische Entscheidungen zu sammeln.

Quellen

Die hier aufgeführten Leitlinien und Aufsätze richten sich, so nicht ausdrücklich anders vermerkt, an Fachkreise. Ein Teil der hier angegebenen Aufsätze ist in englischer Sprache verfasst.

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  • Bieber, T. et al.: Global Allergy Forum and 3rd Davos Declaration 2015: Atopic dermatitis/Eczema: challenges and opportunities toward precision medicine. In: Allergy, 2016, 71(5): 588-92
  • Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Aktionsplan Allergien - Allergieportal. (eingestellt am 31.12.2012)
  • Bundessozialgericht: Urteil vom 6.3.2012, Aktenzeichen B 1 KR 24/10 R
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  • Klinikum rechts der Isar der TU München, Abteilung Klinisch-experimentelle Allergologie (Letzter Abruf: 30.01.2024)
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Letzte Aktualisierung:

20.12.2019