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Finger zeigt Probleme im Darm - Reizdarm
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Das Reizdarm-Syndrom — keine Allergie

Grundlagen

In den letzten Jahrzehnten hat sich unser Verständnis des Reizdarm-Syndroms (RDS, irritable bowel syndrom (IBS)) von seinen Grundlagen bis hin zur Behandlung verbessert. Das Reizdarm-Syndrom zählt zu den chronischen oder chronisch wiederkehrenden Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts. Das RDS wird heute als Störung der Darm-Hirn-Interaktion verstanden, die sich sehr vielgestaltig zeigen kann. Daher verwendet man den Begriff Syndrom.

Das Reizdarm-Syndrom wird heute als eine organische Erkrankung definiert, obwohl übliche Untersuchungsmethoden keine fassbaren Ursachen oder Erkrankungen für die Beschwerden aufdecken können.

Weltweit leiden durchschnittlich 11 Prozent an der Verdauungsstörung, wobei Frauen häufiger betroffen sind als Männer. Die Symptome belasten die Lebensqualität.

Grundsätzlich kann das RDS von einer immunologisch vermittelten Allergie eindeutig abgegrenzt werden. Denn ganz anders als bei einer Ig-E vermittelten Nahrungsmittelallergie sind die RDS-Beschwerden selten reproduzierbar und selten durch kleinste Mengen verursacht. Zudem kommt es beim Reizdarm nicht zu einer Überreaktion des Immunsystems.

Ursachen

Was löst ein Reizdarm-Syndrom aus? Bei Nahrungsmittelallergien liegt eine Überreaktion des Immunsystems auf bestimmte Nahrungsstoffe vor. Bei echten Unverträglichkeiten werden Nahrungsstoffe nicht oder unvollständig verdaut. Dagegen können beim Reizdarm-Syndrom mehrere gestörte Körpervorgänge zum Krankheitsgeschehen beitragen.

So können beispielsweise die Darmmuskeln beim Reizdarm fehlerhaft miteinander kommunizieren, weswegen der Nahrungsbrei zu langsam oder zu schnell durch den Körper transportiert wird. Wird das Nahrungsgemisch zu schnell durch den Darm geschleust, werden wichtige Nährstoffe nicht aufgenommen und dem Stuhl zu wenig Wasser entzogen. Die Folge kann Durchfall (Diarrhoe) sein. Wird der Darminhalt aber zu langsam transportiert, kann sich der Stuhl so sehr verdicken, dass eine Verstopfung (Obstipation) drohen kann. Auch Schmerzen sind möglich, die zum Beispiel durch ein Übermaß an Gärungsgasen entstehen können.

Veränderungen im Immun- und Nervensystem bei einem Reizdarm-Syndrom 

Eine wesentliche Rolle bei der Entstehung vom Reizdarm spielen Störungen im Immun- und Nervensystem: Die Immunzellen der Darmschleimhaut zeigen ein anderes Verteilungsmuster als bei Gesunden. Dies könnte beispielsweise die Ursache dafür sein, dass unterschwellige Entzündungen in der Darmschleimhaut entstehen. Eingeleitet werden diese Entzündungen durch fehlgeleitete Immunantworten. 

Das Gehirn versteht Antworten auf solche Reize aus dem Darm falsch. Betroffene entsenden und empfangen im Vergleich zu Gesunden andere Signalstärken. Dies beeinträchtigt wiederum die Darmmuskulatur, die Psyche und die gesamte Verdauung. Diese häufige organische Veränderung bei RDS nennt sich medizinisch viszerale Hypersensitivität. Damit wird eine Überempfindlichkeit des Darms und anderer Bauchorgane (lateinisch Viszera) gegenüber Schmerzen beschrieben. 

Sensible Nervenzellen

Die Wissenschaft geht heute davon aus, dass beim Reizdarm-Syndrom die Nervenzellen des Darms überwiegend sensibler auf die Reize aus dem Darminneren reagieren. Obwohl der Darm von Reizdarm-Betroffenen normal befüllt ist, empfinden sie daher Druckschmerzen im Vergleich zu gesunden Personen mit vergleichbarem Darmvolumen. Auch chemische oder mechanische Reize können aufgrund einer solchen Überempfindlichkeit zu den Schmerzen und Beschwerden beitragen. So können bislang harmlose Reize, die durch das Essen entstehen, eine unangemessene und viel stärkere Reizantwort nach sich ziehen. Solche Reize können beispielsweise der Druck eines Nahrungsmittels auf die Darmwand oder ein Temperaturreiz beim Essen von kalten Produkten sein. In der Folge entstehen zu viele Botenstoffe, Enzyme oder auch Gallensäuren, die die Beschwerden auslösen.

Die aktuelle Forschung zeigt, dass überwiegend zelluläre und molekulare Veränderungen im Darm von Reizdarm-Syndrom Betroffenen vorliegen. Ein diskutierter Einflussfaktor auf die Darmmuskulatur ist speziell das Serotonin. Dieser Botenstoff wird hauptsächlich im Darm und dort von speziellen Darmzellen, den EC-Zellen, gebildet. Bei einigen Menschen mit einem Reizdarm-Syndrom können weniger EC-Zellen und somit auch weniger Serotonin nachgewiesen werden als bei Gesunden. 

Während die grundsätzliche Entstehung des RDS weiterhin unklar bleibt, werden solche spezifischen Veränderungen beobachtet. Auch diese Beobachtung hat dazu geführt, dass das RDS als eine organische Erkrankung mit Ursprung im Darm und nicht mehr als funktionelle Störung definiert wird.

Sonderrolle Gallensäuren beim Reizdarm-Syndrom

Bekannt ist, dass auch ein gestörter Gallensäurestoffwechsel die Ursache für den Reizdarm sein kann. Insbesondere bei Betroffenen, die vermehrt unter weichen Stühlen oder Diarrhoe leiden, sollte die Gallensäure untersucht werden.

Lifestyle und Infektionen als Auslöser oder Trigger des RDS?

Als weitere mögliche Ursachen für das Reizdarm-Syndrom werden überstandene Infektionen, eine genetische Veranlagung oder der Lebensstil verantwortlich gemacht. Eine veränderte Lebensweise, die auch die Auswahl der Lebensmittel betreffen kann, ist eine wichtige Säule, um die Symptome zu lindern. Das Erlernen von Methoden rund um den Umgang mit Stress kann helfen, Symptome zu lindern.

Durchlässige Darmschleimhaut und gestörtes Mikrobiom bei Reizdarm 

Eine Rolle beim Reizdarm-Syndrom nimmt auch die Darmbarriere ein, die das Darminnere vom Körperinneren trennt. Die äußerste Schutzschicht, die Darmschleimhaut, ist bei einem Teil der Reizdarm-Betroffenen durchlässiger als üblich. Es ist in der Diskussion, welche Rolle unverdauliche Nahrungsbestandteile wie lösliche Ballaststoffe in dem Miteinander von Bakterien und Symptomen einnehmen. 

Die Annahme, dass unser Mikrobiom nicht nur mit wichtigen Nährstoffen, sondern auch über Botenstoffe mit dem Immun- und Nervensystem und den Darmwandzellen interagiert, steht heute im Zentrum vieler Forschungsvorhaben. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen ein verändertes Mikrobiom bei RDS-Patientinnen und -Patienten gegenüber Gesunden. Welchen Einfluss dies hat und wie wir es durch konkrete Ernährungsempfehlungen positiv beeinflussen können, lässt sich zum aktuellen Zeitpunkt nicht genau vorhersagen. 

Reizdarm-Syndrom: Symptome

Zu den typischen Beschwerden des Reizdarmsyndroms gehören wiederkehrende Unterbauch-Beschwerden im Durchschnitt mindestens an einem Tag pro Woche. Diese sind verbunden mit mindestens zwei der folgenden Kriterien: 

•    Veränderung der Stuhlganghäufigkeit
•    Veränderung der Stuhlkonsistenz in Form und Aussehen
•    Symptome im Zusammenhang mit Stuhlgang und/oder oben genannten Veränderungen.
 

Die Stuhlgangsveränderungen werden als Unterscheidungskriterium für vier verschiedene Reizdarm-Typen verwendet:

•    RDS-O Obstipation dominanter Typ
•    RDS-D Diarrhoe dominanter Typ
•    RDS-M mixed type oder Meteorismus dominanter Typ
•    RDS-U unsubtyped

Nur wenn es gelingt, die Reizdarm-Symptomatik einem der vier Typen zuzuordnen, ist eine zielführende Behandlung möglich. 

Die Diagnose Reizdarm-Syndrom (RDS) sollte möglichst früh nach zuverlässigem Ausschluss der wichtigen Differenzialdiagnosen erfolgen. Wenn die Diarrhoe als Symptom dominiert, sind der Leitlinie zufolge ausführlichere Untersuchungen notwendig.

Die Lebensqualität kann, ähnlich einer „echten“ Allergie, deutlich reduziert sein. Ein RDS kann sich vielfältig äußern. Kennzeichnend sind chronische Stuhlunregelmäßigkeiten wie Durchfall (Diarrhoe) und/oder Verstopfung (Obstipation), die im Wechsel auftreten können, ebenso wie Schmerzen oder Druckgefühl im Bauch sowie Blähungen. Sie werden von Betroffenen überwiegend im Zusammenhang mit ausgewählten Lebensmitteln wahrgenommen und können einer Nahrungsmittelunverträglichkeit oder Nahrungsmittelintoleranz ähnlich sein, aber nur in wenigen Fällen können sie objektiviert werden. Betroffene profitieren von einer individualisierten Therapie, dies gilt auch für Ernährungsempfehlungen.

Begleiterkrankungen sind beispielsweise psychosomatische Störungen, Depressionen und Ängste oder das Chronic-Fatigue-Syndrom und die Fibromyalgie.

Diagnose

Die Diagnose Reizdarm ist keine Verlegenheitsdiagnose – sondern Ausschlussdiagnostik! In der Arztpraxis kann keine der genannten möglichen Ursachen für Reizdarm eindeutig nachgewiesen werden. Denn es stehen keine medizinischen Instrumente oder Labortests oder gar Biomarker zur Verfügung. Die Diagnose des Reizdarm-Syndroms ist daher eine Ausschlussdiagnose, bei der ernsthafte Erkrankungen mit Reizdarm-ähnlichen Symptomen zunächst ausgeschlossen werden müssen. Denn bis heute fehlen Biomarker, die die Diagnose und die daraus ableitende kausale Therapie ermöglichen könnten. Differentialdiagnosen, die ähnlich anmutende Magen-Darm-Beschwerden auslösen können, sollen vorab ausgeschlossen werden. Dazu gehören chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Darm- oder Eierstockkrebs sowie eine Allergie gegen bestimmte Nahrungsmittel und Nahrungsmittelunverträglichkeiten.

Vergleichsweise oft kann eine Unverträglichkeit von Kohlenhydraten (Laktoseintoleranz oder Fruktosemalabsorption) zu reizdarm-ähnlichen Beschwerden führen. Bei eindeutigen Hinweisen darauf sollten diese mit geeigneten Methoden, wie zum Beispiel dem H2 Atemtest, abgeklärt werden. Ein Ernährungsumstellung ist zielführend.

Bei Verdacht auf eine IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergie sollte eine allergologische Mitbetreuung veranlasst werden. Wie immer, sollte keine Diagnostik auf nahrungsspezifisches IgG erfolgen.

Da Reizdarm-Betroffene anfällig für einseitige Ernährungsformen sind, kommt der genauen Zöliakiediagnostik und deren Ausschluss eine Bedeutung zu. Eine glutenfreie Ernährung kann zu Fehldiagnosen führen. Eine korrekte Diagnosestellung erfordert eine glutenhaltige Ernährung für sechs bis zwölf Wochen vor Diagnose. Erst dann ist es sinnvoll, zöliakiespezifische Antikörper IgA zu bestimmen. Bei auffälligen Laborparametern soll eine Gewebeprobe zur Kontrolle erfolgen.

Sind diese Erkrankungen, Allergien oder Unverträglichkeiten ausgeschlossen, vervollständigen die üblichen Laborwerte im ärztlichen Gespräch die Diagnose Reizdarm-Syndrom. Da die Beschwerden chronisch sind, kann es auch Sinn machen, psychosomatische Beschwerden, Depression oder auch Angststörung zu bedenken. Insofern ist eine ausführliche Befragung zur Krankengeschichte das Kernelement der Diagnostik. Verkürzte Abfragen oder Standardfragebögen sind wenig hilfreich. Bis die Diagnose Reizdarm-Syndrom steht, können häufig viele Jahre ohne entsprechende Behandlung vergehen.

Die sichere RDS-Diagnostik wird aktuell anhand der ROM IV-Kriterien definiert. Vor der Festlegung der Diagnose RDS sollte eine gründliche Basisdiagnostik durchgeführt werden. Dabei sollen die ausgewählten Untersuchungen individuell angepasst werden. Das Vorliegen von Magen-Darm-Beschwerden während der letzten sechs Monate vor Diagnosestellung gilt als Standardkriterium. Die Beschwerden sollen begründen, dass Patienten deswegen Hilfe suchen und/oder sich sorgen und so stark sind, dass die Lebensqualität hierdurch relevant beeinträchtigt wird. 

Die Therapie des Reizdarm-Syndrom: Team-Sache!

Jüngere Forschungsergebnisse zeigen, dass einfache Lösungen bei der Diagnostik und Behandlung des Reizdarm-Syndroms nicht möglich sind. Neben immer komplizierteren Diagnoseschemata müssen bei der Behandlung verschiedene Fachbereiche zusammenarbeiten. Denn nach aktuellen Erkenntnissen zeigen sich nur mehrschichtige Behandlungskonzepte als sinnvoll und effektiv, um die Symptome bei Betroffenen zu lindern.

Medikamente, gleichzeitige psychotherapeutische Begleitung, aber auch eine Ernährungsumstellung sind nur dann zielführend, wenn sie sich an den Reizdarm-Symptomen orientieren, ineinandergreifen und aufeinander abgestimmt sind. Medikamentöse Therapieversuche ohne Linderung sollten spätestens nach drei Monaten abgebrochen werden. Für nichtmedikamentöse Behandlungsansätze gelten abweichende Zeiträume.

Akuttherapie des RDS

Wenn Verstopfung im Vordergrund des Reizdarm-Syndroms steht, ist die zum Teil tägliche Gabe von Abführmitteln (Laxantien) eine effektive Behandlungsmöglichkeit und steht im Zentrum einer leitliniengerechten Therapie. Bei der heute möglichen Auswahl an Wirkstoffen spricht nichts gegen eine Daueranwendung. Dabei lässt sich oft auch die Ballaststoffzufuhr und die Qualität der Ballaststoffe optimieren. 

Therapiemaßnahmen für den Reizdarm mit Durchfall sind aufgrund der vielschichtigen Ursachen schwierig. Meist lässt sich dieser Typ nur in einem intensiven Miteinander von sich ergänzenden Maßnahmen von Anti-Durchfallmittel und gleichzeitig niedrig dosierten sinnvollen Psychopharmaka und einer Ernährungsanpassung durch veränderte Lebensmittelauswahl behandeln.

Bei Schmerzen und Krämpfen beim RDS mit Blähungen helfen krampflösende Medikamente, die allerdings nur kurzfristig angewendet werden sollten. Kurzfristig lindern auch pflanzliche Mittel wie Pfefferminz- oder Kümmelöl die Schmerzen.

Psychotherapie und Antidepressiva bei Reizdarm

Psychotherapeutische Hilfe und angeleitete Selbsthilfestrategien können jeden RDS-Krankheitsverlauf günstig beeinflussen. Sie sollten auf haus- oder fachärztlicher Ebene eingesetzt werden. Die Vermittlung von Informationen über das RDS an sich wirkt sich positiv auf die Beschwerden und die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten aus.

Wenn Menschen mit Reizdarm zusätzlich Depressionen oder Ängste haben, können auch Antidepressiva und psychotherapeutische Maßnahmen wie Verhaltenstherapie helfen. Dabei sollten Menschen, die hauptsächlich an Verstopfung und Schmerzen leiden, Serotonin-Wiederaufnahmehemmer erhalten. Menschen mit Durchfall und Schmerzen als Leitsymptom können sehr niedrig dosierte Antidepressiva helfen. 

    Sport und körperliche Aktivität

    Sport und körperliche Aktivitäten sind für alle Reizdarm-Betroffenen hilfreich. Körperliche Bewegung (3-5 Tage pro Woche für 20-60 Minuten bei mäßiger bis intensiver körperlicher Aktivität) zeigen eine deutliche Verbesserung auch für die Lebensqualität.

      Probiotika bei Reizdarm?

      Probiotika sind definitionsgemäß Bakterienstämme, deren gesundheitlicher Nutzen in Studien oder durch klinische Untersuchungen nachgewiesen wurde. In der aktuellen Leitlinie Reizdarmsyndrom werden nur ausgewählte einzelne Stämme diskutiert, denn speziell für das Reizdarm-Syndrom sind bisher nur wenige Stämme als wirksam erforscht. Aufgrund der uneinheitlichen Studienlage sollte es, wenn überhaupt, eine individualisierte Empfehlung erfolgen. 

        Ernährungsmedizinische Ansätze beim Reizdarm-Syndrom

        Eine weitere und wichtige Therapiesäule besteht aus einer bedarfsdeckenden Ernährung. Da die Symptome von Reizdarm-Betroffenen häufig mit ihrer Ernährung in Verbindung gebracht werden, gibt es eine Vielzahl von Studien, die sich mit dem Einfluss von verschiedenen Ernährungsfaktoren befassen. Erwartungsgemäß können bei der Verschiedenartigkeit von Symptomen auch keine einheitlichen Ernährungsempfehlungen gegeben werden. 

        Eine individuelle Lösung für die vielfältig möglichen Symptome der Betroffenen zu finden, ist eine Herausforderung. Die subjektive Einschätzung der Patientinnen und Patienten macht sie anfällig für Fehlernährung. Daher sind jegliche Auslassungsdiäten zu vermeiden und nur unter fachlicher Betreuung empfohlen.

        Da RDS-Betroffene für jegliche Empfehlungen bezogen auf den Verzicht von Nahrungsmitteln empfänglich sind, sollte jede (langfristige) Veränderung in der Lebensmittelauswahl oder Kostform an folgenden Zielen gemessen werden:

        • Vermeidung von strikten Auslassdiäten 
        • Prävention von Fehl- und Mangelernährung 
        • Berücksichtigung der vorliegenden ärztlichen Befunde 
        • Linderung der Symptome
        • Wiederherstellung und Erhaltung der Lebensqualität

        Die individuellen Ess- und Trinkgewohnheiten, die Berücksichtigung von Vorlieben und Abneigungen sollten für alle Reizdarm-Patientinnen und Patienten in eine physiologisch günstige Mahlzeitenstruktur münden. Dabei kann ebenso hilfreich sein, die Häufigkeit der Mahlzeiten zu verändern als auch Portionsgrößen oder die Optimierung der Makronährstoffe zueinander.

        Für das Reizdarm-Syndrom mit Verstopfung stehen lösliche Ballaststoffe im Mittelpunkt der Ernährungstherapie. Als alleinige Therapie ist dies aber nicht ausreichend. Sinnvoll ist es, viel Gemüse auf den Speiseplan zu nehmen und auf ausreichend Proteine und Fette zu achten.

        FODMAP-arme Kostformen zur Behandlung?

        Häufig ist im Zusammenhang mit dem Reizdarm-Syndrom von einer weiteren Therapieform die Rede, der FODMAP-armen Kost. Der Name FODMAP setzt sich zusammen aus den englischen Wörtern „fermentable oligo-, di-, monosaccharides, and polyols“, was übersetzt „vergärbare Mehrfach-, Zweifach-, Einfachzucker und mehrwertige Zuckeralkohole“ heißt.

        Die Wirksamkeit der FODMAP-armen Ernährung bei Reizdarm wird national und international unterschiedlich bewertet. National wird eine Low-FODMAP-Kostform empfohlen. International konzentriert sich die Therapie vor allem auf eine Ernährungserziehung in Form von individualisierten Empfehlungen durch die Begleitung einer Ernährungsfachkraft. Hier wird zunächst die Basis-Ernährung verbessert. Je nach Symptomen erfolgen dann Anpassungen bezüglich der Lebensmittelauswahl in der täglichen Speiseplanung. Hier werden zum Beispiel Kochkompetenz, Zeitfaktoren, Berufsanamnese und konkrete Vorgaben für die Lebensmittelauswahl und Mahlzeitenhäufigkeit an die Möglichkeiten der Betroffenen angepasst. Der Gehalt an FODMAPs ist nachrangig.

        Hier finden Sie hilfreiche Ernährungstipps und Informationen zu Kostenübernahme von Ernährungsberatung sowie Adressen zur Ernährungsberatung.

        Mediterrane Mischkost – mehr als nur eine Ernährungsform für RDS-Betroffene

        Da es keine generellen spezifischen Lebensmittelempfehlungen für das Reizdarm-Syndrom geben kann, finden sich eher Empfehlungen zum allgemeinen Essverhalten und der Nahrungsmittelauswahl.

        Eine möglichst ausgewogene und vielfältige Kost im Sinne der „mediterranen Kost“ steht heute im Mittelpunkt vieler Studien rund um das RDS. Mit der Umsetzung dieser Kostform wird in den vorliegenden Publikationen zunehmend auf einen entschleunigten Lebensstil und ein angemessenes soziales Miteinander hingewiesen. Eine Mahlzeitenstruktur, die den Tag „einteilt“, ist ebenso von Bedeutung, wie die bevorzugte Wahl von möglichst unbehandelten Lebensmitteln für die frische Zubereitung.

        Es ist bekannt, dass normale Verdauungsprozesse der Nahrung mit der Bildung von Flüssigkeiten, Gasen und Darmbewegungen von einigen Reizdarm-Patientinnen und -Patienten als Beschwerden empfunden werden können. Bei Reizdarm-Patient:innen mit einer erniedrigten Empfindungs- und Schmerzschwelle im Verdauungstrakt werden normale Körpersignale als Beschwerden wahrgenommenEs ist wichtig zu wissen, dass die Verbindung von Missempfindungen und Nahrung erlernt werden kann. Dies kann bedeuten, dass die Beschwerden gar nicht durch die Nahrung selbst verursacht werden. 

        Ausblick

        Erkrankungen wie das Reizdarm-Syndrom (RDS) haben eine große medizinische und sozioökonomische Bedeutung. Allerdings werden die Betroffenen häufig als eingebildete Erkrankte wahrgenommen, da bei ihnen mit den verfügbaren herkömmlichen Untersuchungstechniken keine organischen Störungen nachweisbar sind.

        Diese Situation ist für die in der medizinischen Betreuung Tätigen und für die Patientinnen und Patienten gleichermaßen unbefriedigend. Allzu häufig führt dieser Weg in teure Fallen und Angebote außerhalb der Schulmedizin ohne Besserung der Symptome. Ärztinnen und Ärzte sind daher gut beraten, die sprechende Medizin und das vorhandene wissenschaftliches Know-How rund um das RDS zu nutzen, um den langen Irrweg dieser Patientinnen und Patienten zu verkürzen.
         

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        Letzte Aktualisierung: 29.03.2023