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Forschungsansätze zur spezifischen Immuntherapie (Hyposensibilisierung)

Die personalisierte oder individualisierte Therapie ist ein wichtiges Forschungsgebiet bei der Allergen-spezifischen Immuntherapie (Hyposensibilisierung).

Wissenschaftliche Beratung:

Prof. Dr. Jörg Kleine-Tebbe, Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie e.V. Allergie- u. Asthma-Zentrum Westend

Die personalisierte oder individualisierte Therapie ist ein wichtiges Forschungsgebiet bei der Allergen-spezifischen Immuntherapie (Hyposensibilisierung).

Wissenschaftliche Beratung:

Prof. Dr. Jörg Kleine-Tebbe, Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie e.V. Allergie- u. Asthma-Zentrum Westend

Personalisierte spezifische Immuntherapie

Beobachtungen zeigen, dass die Erfolgsraten der Hyposensibilisierung nicht bei allen Menschen gleich sind:

  • So bemerken viele Patientinnen und Patienten bereits im ersten Therapiejahr deutlich spürbare Besserungen ihrer Symptome und benötigen immer weniger Medikamente.
  • Manche Betroffene hingegen sprechen erst im Laufe einer längeren Therapiedauer von zwei bis drei Jahren merklich an.

Dies ist wenig ermutigend und hält die Patienten mitunter davon ab, die Therapie weiter fortzusetzen. Seit vielen Jahren sucht man deshalb nach Faktoren, sogenannten Biomarkern, die vorhersagen, welche Personen gut auf die Therapie ansprechen werden. Aus Studien gibt es bereits vielversprechende Hinweise auf solche Biomarker. Für die Routineanwendung stehen bislang allerdings noch keine Tests zur Verfügung.

Allergenspezifische Immuntherapie bei Nahrungsmittelallergie

Mit Zunahme der Nahrungsmittelallergien gewann in der Forschung die spezifische Immuntherapie bei Nahrungsmittelallergien an Bedeutung. Sie verläuft prinzipiell ähnlich wie die spezifische Immuntherapie (Hyposensibilisierung) etwa bei Pollenallergie. Sie beruht darauf, dass Betroffene jeden Tag Kontakt haben mit allmählich steigenden Mengen des Nahrungsmittels, gegen das sie allergisch sind.

Derzeit untersucht man beim Menschen verschiedene Anwendungsmethoden der spezifischen Immuntherapie, darunter

  • die Verabreichung über den Mund (oral),
  • unter der Zunge (sublingual),
  • auf der Haut (epikutan) oder
  • als Injektion unter die Haut (subkutan).

Dazu setzt man verschiedenartige Allergen-Präparate ein. Manche werden zuvor gezielt (bio-)chemisch verändert. Es gibt vielversprechende Fortschritte mit veränderten Eiweißmolekülen (Proteinen) oder Kombinationen anderen Therapien, welche die spezifische Immuntherapie sicherer und besser wirksam machen sollen.

Seit Ende 2020 ist in Deutschland für Kinder zwischen vier und 17 Jahren ein Präparat zur oralen Immuntherapie (OIT) bei einer Erdnussallergie zugelassen. Diese Form der Hyposensibilisierung wird auch für andere Formen der Nahrungsmittelallergie getestet, etwa bei Kuhmilch-, Hühnereiweiß- und Weizenallergie. Hier sind jedoch noch keine Präparate für die Routineanwendung verfügbar. 

Immuntherapie per Pflaster

Eine derzeit erprobte Methode verwendet Allergen-beschichtete Pflaster, die auf der Haut verbleiben und täglich erneuert werden. Durch Verlängerung der Kontakt-/Klebezeit auf der Haut bis zu 24 Stunden, soll auch hier eine Steigerung des Allergenkontaktes erreicht werden. Dieses Verfahren nennt man epikutane Immuntherapie, abgekürzt EPIT. Es wird derzeit unter anderem ebenfalls bei der Erdnussallergie in Studien geprüft.

Ziele der EPIT

Ziel beider Methoden ist es, die allergische Reaktion des Immunsystems auf das Allergen zu verringern. Es soll eine immunologische Toleranz erreicht werden. Das heißt, dass die Immunantwort gegenüber der Allergenquelle ausbleiben oder zumindest viel schwächer werden soll. Gelingt dies, vertragen Betroffene gewisse Mengen des Allergens, ohne dass es zu unerwünschten Reaktionen kommt. Dies scheint bei der OIT besser zu funktionieren als bei der EPIT. Allerdings werden bei der EPIT weniger schwere Nebenwirkungen beobachtet. Ob diese Therapien jedoch auch langfristig zu einer „Gewöhnung“ oder Toleranz gegenüber diesem Nahrungsmittel führen, ist bislang nicht nachgewiesen.

Besondere Relevanz bei Erdnussallergie

Das Auftreten auch von schweren allergischen Reaktionen bis hin zu einem anaphylaktischen Schock ist bekannt, insbesondere bei einer Erdnussallergie. Daher muss die Patientin/der Patient und dessen Umfeld immer im Umgang mit Notfall-Maßnahmen und den Notfallmedikamenten gut geschult sein.

Die Entwicklung der epikutanen Immuntherapie bei einer Erdnussallergie ist mittlerweile weit fortgeschritten (Prüfung in Phase-III-Studien). Daher ist eine Zulassung von bestimmten Therapieprodukten bei der Erdnussallergie in absehbarer Zeit möglich.

Das Verhältnis von Nutzen und Risiken einer Hyposensibilisierung bei Nahrungsmittelallergie ist unterschiedlich. Es hängt unter anderem von der Art der Therapie und dem betreffenden Allergen ab. Alter, Grad der Sensibilisierung und andere (Begleit-)Erkrankungen können dieses Verhältnis beim Einzelnen zusätzlich beeinflussen.

Quellen

Die hier aufgeführten Leitlinien und Aufsätze richten sich, so nicht ausdrücklich anders vermerkt, an Fachkreise. Ein Teil der hier angegebenen Aufsätze ist in englischer Sprache verfasst.

  • Biedermann, T et al. (Hrsg., 2016): Allergologie. Springer, Berlin/Heidelberg, 2. Aufl., ISBN 9783642372025
  • Darsow U., Raap U. (Hrsg., 2016): Allergologie kompakt. Dustri-Verlag, München-Deisenhofen
  • Feuille, E., Nowak-Wegrzyn, A.: Allergen-Specific Immunotherapies for Food Allergy. In: Allergy Asthma Immunol Res 2018, 10(3): 189-206
  • Klimek, L.; Vogelberg, C.; Werfel, T. (Hrsg., 2019): Weißbuch Allergie in Deutschland. - 4. Aufl. Springer, ISBN: 9783899353129
  • Pfaar, O. et al.: S2k-Leitlinie zur (allergen-) spezifischen Immuntherapie bei IgE-vermittelten allergischen Erkrankungen. Allergo J Int 2014; 23: 282 (In Überarbeitung)
  • Pajno, G.B., et al. EAACI Guidelines on allergen immunotherapy: IgE-mediated food allergy. In: Allergy 2018; 73(4): 799-815
  • Pfaar, O., et al. Perspectives in allergen immunotherapy: 2017 and beyond. In: Allergy 2018; 73 Suppl 104: 5-23
  • Roberts, G., et al. EAACI Guidelines on Allergen Immunotherapy: Allergic rhinoconjunctivitis. In: Allergy 2018; 73(4): 765-798
  • Trautmann A., Kleine-Tebbe J.: Allergologie in Klinik und Praxis. Thieme Verlag Stuttgart, 3. Aufl. 2018. ISBN9873131421838 
  • Worm M et al.: Update of the SK2 guideline on the management of IgE-mediated food allergies. Allergologie select 2021; 5:195-243

Letzte Aktualisierung:

27. September 2021