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Tabletten und Medikamente in der Schwangerschaft
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Allergie – Medikamente in der Schwangerschaft

Viele Medikamente sind nicht gut erforscht, wenn es um ihre Wirkung bei Schwangeren geht. Klinische Studien mit werdenden Müttern werden selten durchgeführt. Für einige Wirkstoffe gibt es aber umfangreiche Erfahrungswerte von Anwendungen in der Schwangerschaft, aus denen man ableiten kann, dass kein Risiko für das ungeborene Kind besteht.

Wissenschaftliche Beratung:

Dr. Katja Nemat, Ärzteverband Deutscher Allergologen (AeDA)
c/o Kinderzentrum Dresden-Friedrichstadt

E-Mail: kinderpneumologie@kid-dresden.de

Viele Medikamente sind nicht gut erforscht, wenn es um ihre Wirkung bei Schwangeren geht. Klinische Studien mit werdenden Müttern werden selten durchgeführt. Für einige Wirkstoffe gibt es aber umfangreiche Erfahrungswerte von Anwendungen in der Schwangerschaft, aus denen man ableiten kann, dass kein Risiko für das ungeborene Kind besteht.

Wissenschaftliche Beratung:

Dr. Katja Nemat, Ärzteverband Deutscher Allergologen (AeDA)
c/o Kinderzentrum Dresden-Friedrichstadt

E-Mail: kinderpneumologie@kid-dresden.de

Generell soll der behandelnde Arzt oder die Ärztin immer das sicherste Medikament auswählen aus der  Wirkstoffgruppe, die für bestimmte Beschwerden benötigt wird. Darüber hinaus ist die Dosierung möglichst gering und die Anwendungsdauer möglichst kurz zu halten. Lokale Therapien sind meist einer innerlichen Anwendung vorzuziehen (also etwa eine Salbe statt einer Tablette). Frauen sollten ihre/n behandelnde/n Arzt oder Ärztin daher immer darüber informieren, dass sie schwanger sind.

Frauen mit Kinderwunsch, die auf Medikamente angewiesen sind, sollten möglichst schon vor einer Schwangerschaft auf geeignete Wirkstoffe eingestellt werden. So kann auch in der Schwangerschaft eine verträgliche und ausreichend wirksame Therapie durchgeführt werden, ohne dass in dieser Zeit neue Medikamente oder Dosierungen gefunden werden müssen.

Hier erfahren Sie mehr über

Wirkstoffe zur örtlichen (topischen) Anwendung

Mastzellstabilisatoren

Ein während der Schwangerschaft häufig verwendetes Arzneimittel für die Behandlung örtlich begrenzter Allergie-Symptome an Nase und Augen ist der Mastzellstabilisator Cromoglicinsäure. Der Wirkstoff hemmt die Freisetzung von Entzündungsbotenstoffen wie Histamin aus den Mastzellen (bestimmte Immunzellen). Für eine optimale Wirkung sollte er regelmäßig angewendet werden. Für die Linderung akuter Allergie-Symptome eignet sich Cromoglicinsäure dagegen nicht, da eine Wirkung erst nach mehreren Anwendungen und eher vorbeugend eintritt. Der Wirkstoff ist zum Beispiel in Form von Nasenspray oder Augentropfen erhältlich.

Es liegen keine Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für das Ungeborene vor. Eine Behandlung mit dem Wirkstoff kann zu jedem Zeitpunkt begonnen werden.

Allgemeine Informationen zu Mastzellstabilisatoren

Glukokortikoide („Cortison“)

Das örtlich wirksame Glukokortikoid Budesonid kann als Nasenspray bei der Behandlung von Heuschnupfen in der Schwangerschaft eingesetzt werden. Darüber hinaus ist es für die Asthma-Therapie als Spray zur Inhalation verfügbar. Das gilt auch für Mometason, das etwas modernere nasale und inhalative Glukokortikoid. Für letzteres liegen aber weniger Erfahrungswerte vor als für Budesonid.

Zu Behandlungen mit Budesonid in der Schwangerschaft sind mehr als 6.000 Fälle dokumentiert, die keine Hinweise auf ein Fehlbildungsrisiko im ersten Trimester liefern. Auch eine Gefährdung des ungeborenen Kindes im zweiten und dritten Schwangerschaftsdrittel halten Experten für unwahrscheinlich.

Allgemeine Informationen zu Glukokortikoiden zur Anwendung in der Nase


Insbesondere Schwangere mit Asthma sollten bedenken, dass ein mangelhaft eingestelltes Asthma sich negativ auf das Ungeborene auswirken kann. Inhalierbare Glukokortikoide wie zum Beispiel Budesonid können in allen Phasen der Schwangerschaft verwendet werden.

Allgemeine Informationen zu Glukokortikoiden zur Inhalation

Für Schwangere mit Neurodermitis sind Cremes oder Salben mit Prednisolon oder anderen schwachen bis mittelstarken Glukokortikoiden gut geeignet. Für die äußerliche oder lokale Anwendung, die generell von der innerlichen Anwendung als Tablette oder Injektion unterschieden werden muss, gibt es keine Hinweise auf eine erhöhte Fehlbildungsrate. Lediglich bei älteren, sehr stark wirksamen Wirkstoffen besteht – bei sehr hohen Dosen – ein erhöhtes Risiko für das ungeborene Kind, mit einem geringen Geburtsgewicht zur Welt zu kommen. Generell sollten aus dieser Wirkstoffgruppe möglichst moderne Präparate eingesetzt werden, die bezüglich lokaler Nebenwirkungen sicher sind und keine innerliche hormonelle Wirkung haben.

Allgemeine Informationen zu Glukokortikoiden zur äußerlichen Anwendung auf der Haut

Lokale Antihistaminika (Augentropfen, Nasensprays)

Zur örtlichen Anwendung von Antihistaminika in der Schwangerschaft gibt es nur wenige Erfahrungen. Experten schätzen jedoch die Einnahme zum Beispiel nachfolgender Wirkstoffe als akzeptabel ein. Im Einzelfall muss die Einnahme mit dem behandelnden Arzt oder der Ärztin abgestimmt werden:

  • Levocabastin: Zu Levocabastin liegen keine systematischen Studien zur Anwendung bei Schwangeren vor. Eine schädigende Wirkung halten Experten aber für unwahrscheinlich. Die örtliche Anwendung von Levocabastin ist daher auch in der Schwangerschaft möglich. Besser erprobte Alternativen sind Cromoglicinsäure und Glukokortikoide zur örtlichen Anwendung, etwa Budesonid.
  • Azelastin: Es sind keine veröffentlichten Studien zu einer Anwendung von Azelastin während einer Schwangerschaft bekannt. Hinweise auf einen den Embryo schädigenden Effekt gibt es nicht. Gleiches gilt für das zweite und dritte Trimester, allerdings halten Experten einen den Fetus schädigenden Effekt für unwahrscheinlich.
    Aufgrund der mangelhaften Studienlage sollten besser untersuchte Antihistaminika bevorzugt werden. Eine örtliche Anwendung an Nase und Auge halten Experten aber für vertretbar. Besser erprobte Alternativen zur örtlichen Anwendung sind Cromoglicinsäure oder ein Cortisonhaltiges-Nasenspray, zum Beispiel mit dem Wirkstoff Budesonid.

Mittel zum Abschwellen der Nasenschleimhaut

Darüber hinaus kann ein abschwellendes Nasenspray (oder Nasentropfen) in der Schwangerschaft Allergie-Symptome wie eine verstopfte Nase lindern. Geeignete Wirkstoffe sind zum Beispiel Xylometazolin oder Oxymetazolin. Grundsätzlich ist es empfehlenswert, ein abschwellendes Nasenspray nicht länger als acht bis zehn Tage zu verwenden.

Frauen mit hormonell bedingtem Schnupfen in der Schwangerschaft können ihre Beschwerden stattdessen mit einem Nasenspray mit Kochsalzlösung lindern.

Allgemeine Informationen zu Mitteln zum Abschwellen der Nasenschleimhaut

Allergie-Wirkstoffe zur inneren (systemischen) Anwendung

Antihistaminika

In der Wirkstoffgruppe der Antihistaminika zur systemischen, also inneren Anwendung sind Loratadin und Cetirizin die Mittel der Wahl:

  • Loratadin: Loratadin ist aktuell der am besten untersuchte Wirkstoff aus der Gruppe der Antihistaminika. In mehr als 5.000 nachverfolgten Schwangerschaften traten im ersten Trimester keine vermehrten Fehlbildungen auf. Bei Neugeborenen wurden bislang keine Entzugserscheinungen wie Zittrigkeit beobachtet, selbst wenn ihre Mutter bis zur Entbindung über einen längeren Zeitraum Loratadin eingenommen hatte.
    Experten gehen daher davon aus, dass Loratadin in allen Phasen der Schwangerschaft eingenommen werden kann. Besser erprobte Alternativen stehen nicht zur Verfügung. Wenn zusätzlich zu der Linderung von Allergie-Symptomen eine beruhigende (sedierende) Wirkung erwünscht ist, eignet sich Clemastin. Dies kann zum Beispiel bei Schlafstörungen der werdenden Mutter der Fall sein.
  • Cetirizin: Mit etwa 1.300 ausgewerteten Schwangerschaften ist Cetirizin etwas weniger gut untersucht als Loratadin. Bislang haben sich keine das Ungeborene schädigende Effekte gezeigt. Ebenso wurden keine Entzugssymptome bei Neugeborenen beobachtet.
    Cetirizin wird von Experten ebenfalls bei allergischen Symptomen in der Schwangerschaft empfohlen. Eine besser erprobte Alternative ist Loratadin.

Neben diesen Antihistaminika der Wahl kann in bestimmten Fällen Clemastin eingesetzt werden. Dieser Wirkstoff ist bereits seit langer Zeit verfügbar. In umfangreichen Anwendungsbeobachtungen am Menschen hat sich kein Verdacht auf eine schädigende Wirkung ergeben. Entzugserscheinungen bei Neugeborenen sind auch bei Clemastin nicht bekannt.

Im Gegensatz zu Loratadin und Cetirizin besitzt Clemastin eine sedierende Eigenschaft, es verursacht Müdigkeit. Daher sollten diese beiden Wirkstoffe Clemastin vorgezogen werden. In Fällen, in denen die sedierende Wirkung erwünscht ist, stellt Clemastin eine gut untersuchte Alternative zu Loratadin und Cetirizin in der Schwangerschaft dar. Die Einnahme ist in jedem Schwangerschaftsstadium möglich.

Allgemeine Informationen zu Antihistaminika

Glukokortikoide („Cortison“)

Schwer ausgeprägte Neurodermitis- oder Asthma-Symptome in der Schwangerschaft können eine innere (systemische) Behandlung mit Glukokortikoiden erfordern. In diesem Fall ist Prednisolon das Mittel der Wahl.

Erfolgt die Behandlung während der besonders sensiblen Phase zwischen der achten und elften Schwangerschaftswoche, lässt sich ein leicht erhöhtes Risiko für Gaumenspalten nicht ausschließen. Experten empfehlen daher eine Dosierung von maximal zehn Milligramm pro Tag. Diese Beschränkung gilt nicht für Notfallbehandlungen und die Behandlung akuter Krankheitsschübe.

Im zweiten und dritten Schwangerschaftsdrittel können – je nach Dauer der Behandlung, Dosis und zugrundeliegender Erkrankung – verschiedene unerwünschte Wirkungen beim Kind auftreten, darunter:

  • Wachstumsverzögerung des Ungeborenen
  • Frühgeburt
  • vorübergehende Unterzuckerung (Hypoglykämie) beim Neugeborenen
  • niedriger Blutdruck (Hypotonie) beim Neugeborenen
  • Elektrolytstörungen beim Neugeborenen

Bei einer Dauertherapie im letzten Schwangerschaftsdrittel kann das Ungeborene eine Funktionsstörung der Nebennierenrinde entwickeln. Aufgrund der möglichen Komplikationen sollte das Ungeborene vorsichtshalber regelmäßig durch Ultraschalluntersuchungen überwacht werden.

Allgemeine Informationen zu Glukokortikoiden zur inneren Anwendung

Quellen

Die hier aufgeführten Leitlinien und Aufsätze richten sich, so nicht ausdrücklich anders vermerkt, an Fachkreise. Ein Teil der hier angegebenen Aufsätze ist in englischer Sprache verfasst.

  • Ambros-Rudolph, CM., Sticherling, M.: Spezifische Schwangerschaftsdermatosen. In: Hautarzt, 2017, 68: 87-94
  • Bundesärztekammer et al.: Nationale VersorgungsLeitlinie Asthma (in Überarbeitung) (Letzter Abruf: 19.01.2024)
  • Chi CC. et al.: Safety of topical corticosteroids in pregnancy. In: Cochrane Database of Systematic Reviews, 2015, 10. Art. No.: CD007346. DOI: 10.1002/14651858.CD007346.pub3
  • Constantine, MM.: Physiologic and pharmacokinetic changes in pregnancy. In: Frontiers in Pharmacology, 2014, 5: 65, doi: 10.3389/fphar.2014.00065
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  • Namazy, JA. et al.: The Treatment of Allergic Respiratory Disease During Pregnancy. In: J Investig Allergol Clin Immunol, 2016, 26(1): 1-7
  • Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryotoxikologie der Charité-Universitätsmedizin Berlin: Allergie (Letzter Abruf: 19.01.2024)
  • Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryotoxikologie der Charité-Universitätsmedizin Berlin: Arzneimittel (Letzter Abruf: 19.01.2024)
  • Pali-Schöll, I. et al.: Allergic diseases and asthma in pregnancy, a secondary publication. In: World Allergy Organ J, 2017, 10(1):10
  • Pitsios, C. et al.: Clinical contraindications to allergen immunotherapy: an EAACI position paper. In: Allergy, 2015, 70: 897-909
  • Ring, J. et al.: S2-Leitlinie zu Akuttherapie und Management der Anaphylaxie. In: Allergo J Int, 2014, 23: 96-112
  • Rote Liste – Arzneimittelverzeichnis Deutschland (Hrsg.): Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit, Beratungsstellen
  • Schäfer, T. et al.: S3-Leitlinie Allergieprävention – Update 2014. In: Allergo J Int, 2014, 23: 186-199
  • Simons, FER. et al.: Anaphylaxis during pregnancy. In: J Allergy Clin Immunol, 2012, 130: 597-606
  • Trautmann, A., Kleine-Tebbe, J. (2013): Allergologie in Klinik und Praxis; Allergene – Diagnostik – Therapie. -2., vollständig überarbeitete und erweiterte Aufl. Georg Thieme Verlag, Stuttgart, ISBN: 978-3-13-142182-1
  • Zuberbier, T. et al.: The EAACI/GA²LEN/EDF/WAO Guideline for the Definition, Classification, Diagnosis and Management of Urticaria. The 2017 Revision and Update. In: Allergy 2018; 73(7):1393-1414

Letzte Aktualisierung:

10.09.2018