Wie wird Anaphylaxie behandelt?

Bei einer Anaphylaxie ist schnelles Handeln gefragt. Das grobe Vorgehen sieht so aus:

  • Beenden der Allergenzufuhr
  • Verabreichen von Adrenalin per Fertigspritze
  • Notarzt rufen (Tel: 112), Stichwort „schwere allergische Reaktion“
  • bei Bewusstlosigkeit: stabile Seitenlage
  • bei Herz-Kreislauf-Stillstand: Herzdruck-Massage, Beatmung

Neben der Beendigung der Allergenzufuhr (zum Beispiel Entfernung eines Bienenstachels, Stopp einer Medikamentengabe) haben sich verschiedene Medikamente bei der Akuttherapie der schweren Anaphylaxie bewährt: Das wichtigste ist der Wirkstoff Adrenalin. Er reduziert gleichzeitig die Symptome am Herz, an der Haut und an den Atemwegen.

Als Spritze verabreicht, wirkt Adrenalin auch am schnellsten von allen Medikamenten. Für Betroffene oder Ersthelfer ist es am besten, Adrenalin in den Muskel zu spritzen. Dort ist der Wirkstoff für das Herz besser verträglich und die Injektion lässt sich mehrmals wiederholen. 

Dazu entfernt man als erstes die Sicherheitskappe des Autoinjektors. Dann drückt man ihn fest gegen den äußeren Oberschenkel, wenn nötig durch die Kleidung. Ein Pfeil auf der Fertigspritze zeigt die richtige Richtung an, auch eine Kurzanleitung befindet sich darauf. Ein Klick zeigt an, dass das Adrenalin automatisch freigesetzt wurde. Nun muss der Injektor für weitere zehn Sekunden in dieser Position gehalten werden, damit der gesamte Wirkstoff austreten kann. Das Anaphylaxieregister hat in einem erklärendem Video "Anaphylaxie erkennen und behandeln" dargestellt, wie Erste Hilfe beziehungsweise Selbstversorgung bei einer anaphylaktischen Reaktion funktioniert.

Hersteller der Fertigspritzen stellen ebenfalls entsprechende Videos zur Verfügung. Zusätzlich sollten sich Betroffene (bei Kindern auch die Eltern), den Umgang mit dem Autoinjektor vom Arzt oder von der Ärztin genau zeigen lassen. 

Zeichnung zur Veranschaulichung der Anwendung des Adrenalin-Autoinjektors: Gezeichnete Person sticht den Adrenalin-Autoinjektor in den Oberschenkel und hält ihn dort 10 Sekunden lang
Anwendung des Adrenalin-Autoinjektors - © Allergieinformationsdienst/Helmholtz Zentrum München

Lediglich bei drohendem Herz- oder Kreislaufstillstand kann es effektiver sein, wenn die Notärztin oder der Notarzt das Adrenalin in die Vene spritzt oder als Infusion verabreicht. Dieser gefährliche Zustand kündigt sich oft auch für Laien erkennbar durch eine Bewusstseinstrübung an.

Bei Kehlkopfschwellung und Atemnot ist es hilfreich, die Betroffenen zusätzlich Adrenalin über eine Atemmaske zusammen mit Sauerstoff inhalieren zu lassen. Zu Adrenalin gibt es auch bei bestehender Herzerkrankung keine vergleichbare Alternative, obwohl bei herzkranken Patienten ein gewisses Risiko besteht, durch Injektion in die Vene einen Infarkt auszulösen.

Bei Verdacht auf eine anaphylaktische Reaktion, beziehungsweise nach Kontakt mit einem bekannten Allergen ist ein schneller Notruf extrem wichtig.  Wenn die folgenden Symptome auftreten, verabreichen Sie zuerst das Adrenalin und rufen Sie dann einen Notarzt an: plötzliche Heiserkeit, Keuchen oder Atembeschwerden; zwei Symptome, die gleichzeitig in zwei verschiedenen Organen auftreten (zum Beispiel Bauchkrämpfe und eine Hautreaktion); Verlust des Bewusstseins.

Gut zu wissen:

Unter der Nummer 112 erreicht man europaweit den Rettungsdienst.

Sauerstoffgabe

Wenn das Herz-Kreislauf-System oder die Atmung von der Anaphylaxie schwer in Mitleidenschaft gezogen sind, empfiehlt sich zusätzlich die Gabe von Sauerstoff über eine Atemmaske. Wichtig ist außerdem, den Betroffenen sofort große Mengen Flüssigkeit über Infusion zuzuführen, um den Kreislauf zu stabilisieren.

Daneben sollten sie möglichst sofort ein Antihistaminikum sowie ein Glukokortikoid  bekommen. Diese wirken zwar langsamer als Adrenalin, greifen aber eher bei den Ursachen für die anaphylaktische Reaktion an, etwa indem sie die Entzündungsreaktion bremsen und die Wirkungen des  Histamins, des wichtigsten Botenstoffes, hemmen.

Richtige Lagerung

In den ersten Minuten nach Auftreten einer anaphylaktischen Reaktion sollten die Betroffenen zunächst richtig gelagert werden. Wenn die Atemnot das vorherrschende Symptom ist, sollte man eine sitzende Lagerung vornehmen. Ansonsten genügt es, sie flach hinzulegen. Gehen, laufen und sogar sich aufzurichten kann die Symptome verschlimmern.

Um bei einem Schock die Durchblutung des Gehirns zu fördern, kann man die Beine hoch lagern. Sind die Betroffenen nicht mehr bei Bewusstsein und haben aber eine selbständige Atmung, so ist die stabile Seitenlage geeignet.

Wiederbelebung bei Herz-Kreislaufstillstand

Foto einer Herzdruckmassage: Eine Person drückt mit beiden Händen auf den Brustkorb eines am Boden liegenden Mannes
© spkphotostock/ Fotolia

Ist schon ein Herz-Kreislauf-Stillstand eingetreten, sollte man sofort mit der Wiederbelebung beginnen. Prüfen kann man dies am besten über die Atmung: Ohr über den Mund der Person halten, gleichzeitig eine Hand auf ihren Bauch legen. Ist keine oder nur eine stark verminderte Atmung feststellbar, so muss von einem Herz-Kreislauf-Stillstand ausgegangen werden. Zusätzlich kann man versuchen, den Puls zu tasten, was jedoch für Laien, vor allem in der Aufregung, gar nicht so einfach ist. 

Effektiv und leicht zu erlernen ist eine Herzdruckmassage im Wechsel mit einer Beatmung. Der Helfer oder die Helferin drückt dazu mit gestreckten Armen die aufeinandergelegten Handinnenflächen zunächst 30-mal auf das Brustbein des Betroffenen, damit wieder sauerstoffhaltiges Blut im Kreislauf verteilt wird. Dabei muss etwa 5 bis 6 Zentimeter tief gedrückt werden, zirka hundertmal pro Minute. Nach jedem Drücken muss kurz vollständig entlastet werden, sodass sich der Brustkorb wieder hebt. Jeweils nach 30-maliger Druckmassage sollte zweimal über die Nase oder den Mund beatmet werden, anschließend wird weiter gedrückt. Bei Säuglingen weicht die Technik ab: Statt mit den Händen drückt man mit beiden Daumen, auch der Rhythmus zwischen Drücken und Beatmen ist anders. Eltern mit Anaphylaxie-gefährdeten Kindern können sich informieren, ob in ihrer Umgebung ein Erste-Hilfe-Kurs für Eltern angeboten wird.

Wenn eine Beatmung nicht möglich ist, sollten die Helferinnen und Helfer unbedingt versuchen, durch die Druckmassage allein einen positiven Effekt zu erzielen. So kann der Sauerstoff, der noch im Körper ist, über den Kreilsauf verteilt werden. Diese wird fortgeführt, bis der Herzschlag und die Atmung wieder einsetzen, oder bis Rettungskräfte die Versorgung übernehmen. Am besten ist es, wenn sich zwei Personen bei der Herzdruckmassage abwechseln, um fortwährend genug Kraft dafür aufbringen zu können. 

Gut zu wissen

Einige Erzieher/innen haben Sorge, ob sie Kindern mit einer schweren allergischen Reaktion Adrenalin per Fertigspritze verabreichen dürfen. Da die Abwehr von Gefahren für das Kind zu den Aufgaben der Kita-Mitarbeiter/innen gehört, handelt es sich bei der Injektion mit dem Autoinjektor um die - versicherte - Berufspflicht der Erzieherinnen oder Erzieher. Viele Kliniken, Kinder- und Jugend-Mediziner/innen bieten Schulungen für Kitapersonal und Lehrkräfte an. 

Nachbeobachtung und Notfallset

Bei jeder schweren anaphylaktischen Reaktion (Schweregrad II und höher) wird eine Nachbeobachtung im Krankenhaus dringend empfohlen, denn die Symptome können trotz Therapie nach mehrstündiger Pause plötzlich wieder aufflammen. Deshalb ist es notwendig, die Betroffenen so lange zu beobachten, bis sicher ist, dass der Anfall dauerhaft abgeklungen ist. 

Bei der Entlassung aus der Klinik sollten die Betroffenen direkt ein Notfallset erhalten, wenn das Allergen, das die Anaphylaxie ausgelöst hat, nicht sicher zu vermeiden ist. Sie werden dann im Regelfall zu niedergelassenen Allergologinnen und Allergologen überwiesen. Diese übernehmen die weitere Abklärung und Behandlung inklusive der Ausfertigung eines Allergiepasses.

Bei nachgewiesener Bienen- oder Wespengiftallergie besteht die Möglichkeit, mit Hilfe einer spezifischen Immuntherapie (Hyposensibilisierung) allmählich eine Toleranz gegen das verursachende Insektengift zu erzeugen und so künftigen anaphylaktischen Anfällen vorzubeugen. Entsprechende Möglichkeiten gibt es für die Nahrungsmittel- und die Medikamentenallergie leider bisher allenfalls versuchsweise innerhalb von Studien.

Wissenschaftliche Beratung

Prof. Dr. Regina Treudler
Universitätsklinikum Leipzig, Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Leipziger Centrum für Allergologie (LICA)

E-Mail: Allergie-HautkliniknoSp@m@medizin.uni-leipzig.de

Quellen:

Die hier aufgeführten Leitlinien und Aufsätze richten sich, so nicht ausdrücklich anders vermerkt, an Fachkreise. Ein Teil der hier angegebenen Aufsätze ist in englischer Sprache verfasst.

Letzte Aktualisierung:

04. Dezember 2018