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Arzneimittelallergie - Tabletten
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Wie verbreitet sind Arzneimittelallergien?

Nach Angaben der World Allergy Organization (WAO) sind drei bis sechs Prozent aller Krankenhaus-Einweisungen auf unerwünschte Arzneimittelreaktionen zurückzuführen. Der Anteil der Allergien gegen Medikamente liegt bei weniger als zehn Prozent aller unerwünschten Reaktionen. Verbreitungsdaten sind also bei Arzneimittelallergien mit besonderer Skepsis zu betrachten. Zahlen beziehen sich häufig auf alle unerwünschten Arzneimittelreaktionen, ohne nach Nebenwirkungen des Medikaments, Allergien und anderen Unverträglichkeiten zu differenzieren. Nicht selten beruhen Angaben zu Arzneimittelallergien auch auf Erinnerungen, die nie mit einer medizinischen Diagnose abgesichert worden sind.

Wissenschaftliche Beratung:

Prof. Dr. Knut Brockow, Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein Technische Universität München

E-Mail: knut.brockow@mri.tum.de

Nach Angaben der World Allergy Organization (WAO) sind drei bis sechs Prozent aller Krankenhaus-Einweisungen auf unerwünschte Arzneimittelreaktionen zurückzuführen. Der Anteil der Allergien gegen Medikamente liegt bei weniger als zehn Prozent aller unerwünschten Reaktionen. Verbreitungsdaten sind also bei Arzneimittelallergien mit besonderer Skepsis zu betrachten. Zahlen beziehen sich häufig auf alle unerwünschten Arzneimittelreaktionen, ohne nach Nebenwirkungen des Medikaments, Allergien und anderen Unverträglichkeiten zu differenzieren. Nicht selten beruhen Angaben zu Arzneimittelallergien auch auf Erinnerungen, die nie mit einer medizinischen Diagnose abgesichert worden sind.

Wissenschaftliche Beratung:

Prof. Dr. Knut Brockow, Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein Technische Universität München

E-Mail: knut.brockow@mri.tum.de

Arzneimittelallergien bei Frauen häufiger

Arzneimittelallergien werden insgesamt häufiger bei erwachsenen Frauen als bei Männern beobachtet. Zudem ist das Risiko für eine durch Arzneimittel verursachte Anaphylaxie bei erwachsenen Frauen höher. Allerdings weisen die Daten nicht auf Geschlechtsunterschiede bei schweren oder tödlichen Arzneimittel-bedingten Anaphylaxien hin.

Studiendaten zu Kindern vor der Pubertät zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit für eine Arzneimittelallergie beziehungsweise dadurch ausgelöste Anaphylaxie bei Jungen höher ist als bei Mädchen.

Das Phantom „Penicillinallergie“

Vielfach belegt ist dies für die Penicillinallergie. In den USA haben etwa zehn Prozent aller Patienten in ihren Akten den Vermerk „Penicillinallergie.“ Zwischen 85 und 90 Prozent dieser Patienten vertragen jedoch bei einer akuten Behandlung Penicilline sowie andere Antibiotika ohne Probleme. Wie ist das zu erklären? Bereits 2004 unterzogen Würzburger Ärzte 325 Patienten, die angaben, unter einer Penicillinallergie zu leiden, einer Reihe ausführlicher allergologischer Tests. Ergebnis: Mehr als 75 Prozent (246 Patienten) zeigten keinerlei Merkmale einer Penicillinallergie. Befragungen ergaben, dass bei 33 Prozent der Patienten die vermutete allergische Reaktion mehr als sechs Jahre zurücklag; weitere vier Prozent hatten den genauen Zeitpunkt vergessen. Positive Reaktionen auf Blut- und Hauttests klingen aber mit der Zeit vielfach ab.

Bei 52 Patienten wurde in der Studie eine Penicillinallergie festgestellt. Die Tests zeigten aber auch, dass die alternative Wirkstoffgruppe der Cephalosporine bei allen ohne Probleme anwendbar war. Genauso vertrugen 25 Patienten, die eine Allergie gegen Aminopenicilline hatten, Penicillin G und V sowie Cephalosporine, ohne Symptome zu zeigen.

Eine gute Diagnostik ist ratsam, damit Penicilline nicht grundlos gemieden werden. Alternativmedikamente zu Penicillinen können weniger wirksam sein oder mehr Nebenwirkungen nach sich ziehen.

Quellen

Die hier aufgeführten Leitlinien und Aufsätze richten sich, so nicht ausdrücklich anders vermerkt, an Fachkreise. Ein Teil der hier angegebenen Aufsätze ist in englischer Sprache verfasst.

  • Ardern-Jones, M., Friedmann P.: Skin Manifestations of Drug Allergy. In: Br Clin Pharmacol. 2011, 71:5, S. 672-683
  • Bircher, AJ. et al.: Approach to the Patient with a Drug Hypersensitivity Reaction – Clinical Perspectives. In: Pichler, WJ (hrsg.): Drug Hypersensitivity, Basel 2007, S. 352-365
  • Bircher, AJ: Arzneimittelallergie. In: Manuale allergologicum, 4. Auflage München 2016, S. 703-740
  • Blumenthal, K. et al.: Survey of Inpatient Clinical Providers´ Antibiotic Prescribing Knowledge. In: J Allergy Clin Immunol Pract. 2014; 2 (4): S. 407-413
  • Brockow K. et al.: Allergische und pseudoallergische Arzneireaktionen, in Ring, J.: Weißbuch Allergie in Deutschland, München 2010
  • Brockow, K. et al.: Leitlinie Allergologische Diagnostik von Überempfindlichkeitsreaktionen auf Arzneimittel. In: Allergo J Int 2015; 24: 94
  • Cernadas, A. et al.: General considerations on rapid desensitization for drug hypersensitivity – a consensus statement. In: Allergy 2010; 65: 1357–1366.
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  • Fernando, B. et al.: Approaches to Recording Drug Allergies in Electronic Health Records: Qualitative Study, in: PLOS one, April 2014, doi.org/10.1371/journal.pone.0093047
  • Gesellschaft für Pädiatrische Allergie und Umweltmedizin (GPA) hrsg.: Schwerpunkt Medikamentenallergie. In: Pädiatrische Allergologie in Klinik und Praxis, Ausgabe 1/2010:6-17
  • Guillen, D.: Aspirin Desensitization Achieved After Omalizumab Treatment in a Patient with Aspirin-Exacerbated Urticaria and Respiratory Disease. In: J Investig Allergol Clin Immunol 2015; Vol. 25(2): 133-162
  • Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG): gesundheitsinformationen.de: Medikamentenallergie (Letzter Abruf: 19.01.2024)
  • Jörg, L. et al.: Allergie auf Penicillin. In: Schweizerisches Medizin-Forum 2017; 17(10):236–240
  • Lange, L., Gernert, S.: Diagnostik der Medikamentenallergie. In: Pädiatrische Allergologie  2/2017,  6-12
  • Mallal, S. et al.: HLA-B*5701 Screening for Hypersensitivity to Abacavir. In: N Engl J Med 2008;358:568-79.
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  • Norton, A.E., Broyles, A.D.:  Drug allergy in children and adults. In: Ann Allergy Asthma Immunol 2019; 122: 148e155
  • Pirmohamed M. et al.:  Adverse drug reactions as cause of admission to hospital: prospective analysis of 18 820 patients. British Medical Journal 2004, 329, 15–19
  • Sachs, B. et al.: Diskrepanzen zwischen berichteter und verifizierter Penicillinallergie. Mögliche Implikationen für den Patienten und das Gesundheitssystem. In: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte / Paul-Ehrlich-Institut hrsg.: Bulletin zur Arzneimttelsicherheit, März 2018, S. 4-11
  • Thong, B., Vervloet, D.: Drug Allergies. WAO allergic disease resource center, updated 2014. (Letzter Abruf: 19.01.2024)
  • Trcka, J. et al.: Pencillintherapie trotz Penicillinallergie? In: Deutsches Ärzteblatt,  Heft 43/2004. A 2888-A 2892
  • Turner, P. et al.: Fatal Anaphylaxis: Mortality Rates and Risk Factors. In: J Allergy Clin Immunol Pract, 2017;5:1169-78
  • Wheatley, L. et al.: Report from the National Institute of Allergy and Infectious Disease Workshop on Drug Allergy. In: J Allergy Clin. Immunol. Aug. 2015,; 136(2): 262-271

Letzte Aktualisierung: 14. November 2018