Gewitterasthma
Menschen mit Heuschnupfen atmen oft auf, wenn es während der Pollensaison regnet. Doch anders als normaler Regen, kann ein Gewitter allergische Symptome, die durch Pollen ausgelöst werden, verstärken. Treten starke Atembeschwerden, ein allergischer Asthmaanfall oder starke Symptome einer allergischen Rhinitis im Zusammenhang mit Gewitter auf, sprechen Fachleute von Gewitterasthma oder Thunderstorm Asthma.
Wissenschaftliche Beratung:
Prof. Dr. Jeroen Buters, Zentrum Allergie und Umwelt (ZAUM) Technische Universität und Helmholtz Munich
E-Mail: buters@tum.de
Menschen mit Heuschnupfen atmen oft auf, wenn es während der Pollensaison regnet. Doch anders als normaler Regen, kann ein Gewitter allergische Symptome, die durch Pollen ausgelöst werden, verstärken. Treten starke Atembeschwerden, ein allergischer Asthmaanfall oder starke Symptome einer allergischen Rhinitis im Zusammenhang mit Gewitter auf, sprechen Fachleute von Gewitterasthma oder Thunderstorm Asthma.
Wissenschaftliche Beratung:
Prof. Dr. Jeroen Buters, Zentrum Allergie und Umwelt (ZAUM) Technische Universität und Helmholtz Munich
Biedersteiner Str. 29
80802 MünchenE-Mail: buters@tum.de
Gewitterasthma — was ist das?
Gewitterasthma, auch Thunderstorm Asthma genannt, ist ein sehr seltenes Phänomen. Es wurde weltweit bekannt, als 2016 im australischen Melbourne nach einem schweren Gewittersturm mehrere Tausend Personen wegen asthmatischer und allergischer Beschwerden in Krankenhäusern behandelt werden mussten und acht Menschen infolgedessen starben. In Deutschland trat das Ereignis Gewitterasthma bisher nur selten auf.
Gewitterasthma ist gekennzeichnet durch schwere Asthmaanfälle oder starke Symptome einer allergischen Rhinitis wie Juck- und Niesreiz sowie Anschwellen der Nasenschleimhaut – mit dadurch verursachten Beschwerden beim Atmen durch die Nase. Die starken allergischen Beschwerden treten etwa 20 bis 30 Minuten nach Beginn eines Gewitters auf. Forschende vermuten folgenden Zusammenhang: Da sich im gleichen Zeitraum auch besonders viele Allergene in der Luft befinden, gelangen entsprechend große Mengen dieser Allergie auslösenden Substanzen beim Einatmen in die Atemwege. Allergische Asthmaanfälle oder Symptome einer allergischen Rhinitis (allergischer Schnupfen) können bei Menschen mit Allergie deshalb besonders stark etwa eine halbe Stunde nach Beginn eines Gewitters auftreten.
Ursachen von Gewitterasthma
Gewitterasthma tritt auf, wenn ein starkes Gewitter zu einem Zeitpunkt stattfindet, an dem viele Allergene – beispielsweise aus Pollen oder Pilzsporen – in der Luft sind. Menschen mit einer Allergie wie Heuschnupfen und allergischem Asthma können dann schwere Asthmaanfälle oder starke Symptome einer allergischen Rhinitis bekommen. Forschende vermuten folgende Zusammenhänge: Pollen – vor allem von Gräsern – sowie Pilzsporen werden im Vorfeld eines Gewitters vermehrt aufgewirbelt. Aufgrund der elektrostatischen Aufladung und der Luftfeuchtigkeit während des Gewitters quellen sie osmotisch auf und platzen. Die Allergie-auslösenden Bestandteile der Pollen und Sporen werden in die Umgebungsluft geschleudert und dann durch starke Fallwinde schnell und in großen Mengen auf Bodennähe transportiert.
Kleinste Allergene gelangen bis tief in die Lunge
Es wird vermutet, dass durch das Aufplatzen der Pollen kleinere lungengängigere Allergen-Teilchen entstehen. Diese können beim Einatmen in besonders tiefe Bereiche der Bronchien vordringen und dadurch bei Menschen mit Heuschnupfen Asthmasymptome verstärken oder auch erstmalig auslösen. Eine andere Vermutung ist, dass die Pollen durch das Gewitter leicht geöffnet werden und in diesem Zustand auf den Schleimhäuten schneller als geschlossene Pollen ihre Allergene freisetzen können. Kleine lungengängige Teilchen befinden sich zwar grundsätzlich bei höherer Luftverwirbelung (wie bei Gewitter) vermehrt in der Luft, bei einem Gewitter kommen aber zusätzlich viele andere gröbere Partikel aus Erdmaterial, Bakterien oder Schimmelsporen hinzu.
Aggressives Gemisch: Luftschadstoffe und Allergene
Beim Gewitter läuft folgender Prozess ab: Starke Winde saugen viele dieser Teilchen inklusive der Pollen und Pilzsporen wie ein Staubsauger auf und wirbeln sie durch die Luft. Zusammen mit den sogenannten Fallwinden, die für einen Gewittersturm typisch sind, wird das Teilchengemisch, das auch die Allergene enthält, konzentriert nach unten auf Bodenebene geblasen. Forschende vermuten, dass das Gemisch aus reizenden Stoffen verantwortlich für das große Ausmaß der allergischen Symptome von Gewitterasthma ist. Sie sind aber auch überzeugt, dass zwingend auch Allergene in der Luft enthalten sein müssen, damit überhaupt für die Allergie charakteristische Symptome auftreten.
Klimawandel und Gewitterasthma
Klimaforscher erwarten, dass durch den Klimawandel auch extreme Wetterereignisse wie Gewitter häufiger vorkommen werden. Menschen mit Heuschnupfen und Asthma könnten demnach in Zukunft vermehrt von Gewitterasthma betroffen sein.
Ambrosia – Neophyt mit großem Allergie-Potenzial
Symptome von Gewitterasthma können auch durch eingewanderte Pflanzen (Neophyten) verstärkt werden. Mildere Temperaturen aufgrund des Klimawandels ermöglichen es Neophyten, sich auch in Deutschland auszubreiten. Das Beifußblättrige Traubenkraut (Ambrosia artemisiifolia) ist eine von ihnen. Ihre Pollen sind für Menschen mit Heuschnupfen besonders allergen und können bei ihnen zu starken allergischen Symptomen führen. Aufgrund der vielfältigen Folgen des Klimwandels vermuten Forschende, dass Symptome von Gewitterasthma in Zukunft verstärkt auftreten könnten. Weil Ambrosia später im Jahr ihre Pollen freisetzt, wenn die heimische Pollenflugsaison bereits vorbei ist (Gräserpollen und Beifußpollen fliegen bis Ende August), ist dann auch später im Jahr Gewitterasthma möglich.
Risikofaktoren von Gewitterasthma
Vor allem bei Menschen mit Heuschnupfen und unzureichend behandeltem Asthma könnten Gewitter das Risiko von Gewitterasthma mit typischen Symptomen wie starken Asthmaanfällen erhöhen. Gewitterasthma kann auch erstmalig, also auch bei Nicht-Asthmatikern auftreten. Ist dies der Fall, handelt es sich um bis zu dem Zeitpunkt unentdecktes Asthma, das dann erstmalig aufgrund der starken Belastung Symptome hervorruft.
Forschungsergebnisse zeigen, dass bei Menschen mit Heuschnupfen, die zuvor kein Asthma hatten, spezifische IgE-Antikörper im Serum anzeigen, dass ein erhöhtes Risiko für Gewitterasthma besteht.
Vorbeugung von Gewitterasthma
Gewitterasthma trat bisher in Deutschland nur selten auf. Da bei Allergiker:innen mitunter jedoch schwere Symptome entstehen können, bieten wir Menschen mit Heuschnupfen und allergischem Asthma Informationen wie sie sich schützen können:
- Ein Gewitter kann allergische Symptome während der Pollenflugsaison möglicherweise verstärken. Menschen mit einer Allergie wie Heuschnupfen oder allergischem Asthma können sich schützen, indem sie auf Gewitterwarnungen achten: Informationen zu einem bevorstehenden Gewitter bietet der Deutsche Wetterdienst, eine Übersicht über Pollenflugvorhersagen finden sie in unserer Infothek im Bereich Pollenflug-Informationen. Obwohl Symptome von Gewitterasthma selten sind und nicht bei jedem Gewitter auftreten, können Personen mit starkem allergischem Asthma oder Heuschnupfen vorbeugen, indem sie sich während eines Gewitters in geschlossenen Räumen aufhalten. Wenn sich ein Aufenthalt im Freien nicht vermeiden lässt, empfiehlt der Bundesverband der Pneumologen, die Atemwege zu schützen, indem Betroffene über ein Tuch durch die Nase einatmen und über den Mund ohne Tuch ausatmen.
- Eine spezifische Immuntherapie (SIT), (Hyposensibilisierung) kann langfristig vorbeugend vor Gewitterasthma schützen. Die SIT ist derzeit die einzige ursächlich wirksame Therapie bei Allergie. Sie lindert allergische Symptome oder lässt sie vollständig verschwinden.
- Besonders gefährdeten Asthma-Patienten:innen wird empfohlen, entsprechend der medizinischen Leitlinienempfehlungen vorbeugend inhalative Kortikosteroide (Kortisonspray) einzunehmen.
Behandlung von Gewitterasthma
Wie bei jedem akuten Asthmaanfall empfiehlt die medizinische Leitlinie bronchienerweiternde Medikamente, sogenannte Bronchodilatoren. Sie befreien kurzfristig von Asthma-Symptomen und dienen als Bedarfsmedikamente bei akuten Beschwerden.
Quellen
Die hier aufgeführten Leitlinien und Aufsätze richten sich, so nicht ausdrücklich anders vermerkt, an Fachkreise. Ein Teil der hier angegebenen Aufsätze ist in englischer Sprache verfasst.
- Luschkova D et al.: Climate change and allergies. Allergo J Int 2022; 31:114-20 (Letzter Abruf: 29.01.2024)
- Buters J. et al.: Variation of the group 5 grass pollen allergen content of airborne pollen in relation to geographical location and time in season. In: J Allergy Clin Immunol 2015; 136(1):87-95 (Letzter Abruf: 29.01.2024)
- D´Amato, G. et al.: How do storms affect asthma? In: Current Allergy and Asthma Reports 2018, 18, 24:2-5
- Lungenärzte im Netz: Derzeitige Wetterlage kann Gewitter-Asthma hervorrufen. online 05.07.2017
- Silver, J. et al.: Seasonal asthma in Melbourne, Australia, and some obervations on the occurrence of thunderstorm asthma and its predictability. In: PLOSone 2018, April 12:1-24 (Letzter Abruf: 29.01.2024)
- Davies, J. et al.: Thunderstorm asthma: controlling (deadly) grass pollen allergy. In: British Medical Journal. 2018,6; 360:k432 (Letzter Abruf: 29.01.2024)
- Thien F. et al.: The Melbourne epidemic thunderstorm asthma event 2016: an investigation of environmental triggers, effect on health services, and patient risk factors. Lancet Planet Health. 2018; 2(6): 255-263 (Letzter Abruf: 29.01.2024)
- Straub A. et al.: The phenomenon of thunderstorm asthma in Bavaria, Southern Germany: a statistical approach. Int J Environ Health Res. 2021:1-17 (Letzter Abruf: 29.01.2024)
Letzte Aktualisierung: 1. September 2022