Diagnose einer Insektengiftallergie
Schon die Unterscheidung zwischen Biene und Wespe ist für die meisten Menschen nicht einfach. Hinzu kommt, dass aufgrund des Klimawandels neben den deutschen Wespen (Vespula spp) auch die aus Südeuropa kommende Feldwespe (Polistes spp) in mitteleuropäischen Breiten heimisch wird. Die Zusammensetzung der Allergene ist zwischen beiden Wespenarten unterschiedlich. Dies ist für die Diagnose und Therapie von Bedeutung, weil eine versehentliche Behandlung mit zwei Giftextrakten oder mit dem falschen Extrakt neue Sensibilisierungen nach sich ziehen kann.
Wissenschaftliche Beratung:
Prof. Dr. Thomas Fuchs, Ärzteverband Deutscher Allergologen c/o Universitätsmedizin Göttingen, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie
E-Mail: fuchsth@med.uni-goettingen.de
Schon die Unterscheidung zwischen Biene und Wespe ist für die meisten Menschen nicht einfach. Hinzu kommt, dass aufgrund des Klimawandels neben den deutschen Wespen (Vespula spp) auch die aus Südeuropa kommende Feldwespe (Polistes spp) in mitteleuropäischen Breiten heimisch wird. Die Zusammensetzung der Allergene ist zwischen beiden Wespenarten unterschiedlich. Dies ist für die Diagnose und Therapie von Bedeutung, weil eine versehentliche Behandlung mit zwei Giftextrakten oder mit dem falschen Extrakt neue Sensibilisierungen nach sich ziehen kann.
Wissenschaftliche Beratung:
Prof. Dr. Thomas Fuchs, Ärzteverband Deutscher Allergologen c/o Universitätsmedizin Göttingen, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie
E-Mail: fuchsth@med.uni-goettingen.de
Anamnese
Am Beginn der Diagnose steht immer das ausführliche Erstgespräch (Anamnese) mit der Ärztin oder dem Arzt. Dabei wird sie:er folgende Fragen stellen:
- In welchen Körperteil hat das Insekt gestochen?
- Wann traten die ersten Reaktionen auf und wie sahen sie aus?
- Wann traten weitere Reaktionen auf?
- Welche weiteren Reaktionen traten auf?
- Welches Insekt hat zugestochen? (Bei Bienen bleibt der Stachel in der Wunde.)
- Wenn das nicht mehr feststellbar ist, kann der Arzt oder die Ärztin ersatzweise fragen, ob der Stich in der Nähe von Blüten, Bienenstöcken oder Klee passiert ist oder in der Nähe von Nahrungsmitteln. Im ersten Fall hat wahrscheinlich eine Biene zugestochen, im zweiten Fall eher eine Wespe.
- Gab es schon früher Stiche mit oder ohne allergische Reaktionen oder gar einer Anaphylaxie?
- Bestehen andere Allergien (Heuschnupfen etc.)?
- Sind Allergien bei einem oder beiden Elternteilen bekannt?
Nach dem Gespräch wird der:die Arzt:Ärztin anhand der Haut – Flecken, Quaddeln und Rötungen weisen auf eine Mastozytose hin – feststellen, ob eventuell eine bisher nicht erkannte Mastozytose vorliegt. Denn diese Krankheit erhöht die Gefahr schwerer allergischer Reaktionen.
Allergietests
Nach einer ausschließlich lokalen Stichreaktion sind im Allgemeinen keine weiteren Untersuchungen nötig. Dagegen ist auch es schon nach leichten systemischen Reaktionen notwendig, Allergietests durchzuführen. Dieses geschieht etwa vier Wochen nach dem Stich, da durch die allergische Reaktion IgE-Antikörper verbraucht werden und deswegen unmittelbar nach dem Stich eventuell nicht mehr nachweisbar sind. Für die Zwischenzeit wird der:die Arzt:Ärztin ein Notfallset verordnen, damit man bei weiteren Stichen selbst schnell Gegenmaßnahmen ergreifen kann.
Der:die Arzt:Ärztin wird möglicherweise zunächst einen Pricktest durchführen. Dabei träufelt er:sie Testlösungen der infrage kommenden Allergene auf die Innenseite des Unterarms und sticht mit einer Nadel leicht in die Haut. Reagieren Betroffene auf ein Allergen, so rötet sich an der Stelle etwa fünf bis 60 Minuten später die Haut, es kommt zu Juckreiz und einer lokal begrenzten Schwellung. Es wird empfohlen, dass die Betroffenen nach Ende des Tests noch mindestens 30 Minuten lang unter Aufsicht in der Praxis oder Klinik verbleiben.
Entscheidend ist der Intrakutantest. Er ist genauer und wird häufig ohne vorherigen Pricktest durchgeführt. Dabei wird eine das mögliche Allergen direkt in die Haut gespritzt. Die erwarteten allergischen Reaktionen sind auch hier Rötung, Juckreiz und Ausschlag. Der Intrakutantest sollte besonders dann erfolgen, wenn der Pricktest negativ ausgefallen ist. Lediglich bei Kindern im Vorschulalter kann der:die Arzt:Ärztin darauf verzichten.
Besteht ein Risiko schwerer Allgemeinreaktionen, werden die Betroffenen stationär aufgenommen. Dann erfolgt der Intrakutantest mit im Abstand von 15 Minuten gesteigerten Insektengift-Konzentrationen unter Notfallbedingungen und mit einem intravenösen Zugang. Zusätzlich werden Bluttests veranlasst, mit denen die Gesamtkonzentration von IgE-Antikörpern und die Menge der auf Insektengiftallergene spezialisierten IgE-Antikörper festgestellt werden können. Diese Tests werden ergänzend durchgeführt, wenn das Ergebnis des Hauttests nicht eindeutig ist. Um kleinere Kinder zu schonen, erfolgt gerne sofort ein Bluttest.
Ist auch nach diesen Tests noch keine klare Diagnose gestellt, so empfiehlt die Leitlinie der medizinischen Fachgesellschaften, die Hauttests mit einer anderen Testzubereitung zu wiederholen. Seit einiger Zeit sind auch Untersuchungen für komponentenbasierte Diagnostik kommerziell erhältlich. Damit kann festgestellt werden, auf welche Majorallergene des Bienen- oder Wespengifts ein Betroffener reagiert. Dies ist auch nützlich bei Menschen mit Mastozytose und Insektengiftallergie. Bei einigen von ihnen ist die Sensibilisierung in herkömmlichen Haut- und Labortests nicht nachweisbar: sie reagieren falsch-negativ.
In manchen Fällen wird mittels komponentenbasierter Diagnostik zwar eine Kreuzallergie ausgeschlossen, die Betroffenen zeigen im Bluttest aber dennoch eine Sensibilisierung auf Bienen- und Wespengift. Das liegt in den meisten Fällen an einem anderen Baustein, den viele Allergene gemeinsam haben. Es handelt sich um Kohlehydratketten (Cross-reactive Carbohydrate Determinants, CCD´s). Diese haben nach heutigem Wissensstand keine klinische Relevanz, das heißt sie verursachen keine Symptome. Sie können aber die Diagnosegenauigkeit verschlechtern. Ein Bluttest nur auf CCD´s, der diese Unklarheit beseitigt, ist erst seit kurzer Zeit erhältlich.
Bei Menschen mit einer Anaphylaxie, die noch keine spezifische Immuntherapie (Hyposensibilisierung) durchlaufen haben, sind diagnostische Provokationstests, das heißt Probestiche durch lebende Insekten, routinemäßig nicht zu empfehlen. Hier besteht ein großes Risiko für schwere, mitunter lebensbedrohliche Reaktionen.
Quellen
Die hier aufgeführten Leitlinien und Aufsätze richten sich, so nicht ausdrücklich anders vermerkt, an Fachkreise. Ein Teil der hier angegebenen Aufsätze ist in englischer Sprache verfasst.
- Adlib-Tezer, H., Bayerl, C.: Honeybee and wasp venom allergy. Sensitization and immonotherapy. In: JDDG 2018, DOI: 20.2222/ddg.13670
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- Blank, S. et al.: Component-resolved evaluation of the content of major allergens in therapeutic extracts for specific immunotherapy of honeybee venom allergy. In: Human Vaccines & Immunotherapeutics, 13:10, 2482-2489
- Blank, S. et al.: Component-resolved diagnostics to direct in venom immunotherapy: Important steps towards precision medicine. In: Clin Exp Allergy 2018; 48: 354 - 364
- Brehler, R.: Aktueller Forschungsstand bei Insektengiftallergie. Vortrag bei Tagung Allergo Update 2018
- Brehler, R.: Insekten und Spinnentiere als Auslöser toxischer und allergischer Reaktionen in Deutschland. In: Allergo J Int 2017; 26: 129 - 36
- Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Aktionsplan Allergien - Allergieportal. (eingestellt am 31.12.2012)
- Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI) et al.: Diagnose und Therapie der Bienen und Wespengiftallergie. Stand: 01.03.2011. Wird zur Zeit überprüft (Letzter Abruf: 24.01.2024)
- Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI) et al.: Akuttherapie und Management der Anaphylaxie. In Allergo J Int 2014, 23: 96. Stand 31.12.2013. Wird zur zeit überprüft (Letzter Abruf: 24.01.2024)
- Erasmus C. et al.: Infantile multicystic encephalomalacia after maternal bee sting anaphylaxis during pregnancy. In: Arch Dis Child 1982, 57: 785 -787
- European Centre for Allergy Research Foundation (ECARF): Insektengiftallergie (Letzter Abruf: 24.01.2024)
- Golden D. et al.: Outcomes of allergy to insect stings in children, with and without venom immunotherapy. In: N Engl J Med 2004, 351: 668–674
- Hoffman D. et al.: Allergens in Hymenoptera venom. XXVII: bumblebee venom allergy and allergens. In: J Allergy Clin Immunol. 1996, 97(3): 812-21.
- Manmohan, M. et al.: Current state of follow-up care for patients with Hymenoptera venom anaphylaxis in southwest Germany. In: Allergo J Int (2018) 27: 4 - 14
- Park, J. et al.: Risk Associated with Bee Venom Therapy: A Systematic Review and Meta-Analysis. In: PLoS 1 2015, 10 (5)
- Präventions- und Informationsnetzwerk Allergie und Asthma e.V., (Hrsg.): Allergien und Asthma bei Kindern und Jugendlichen – das pina-online Buch, Kap. 9 Insektengiftallergien (Letzter Abruf 24.01.2024)
- Schwartz H. et al.: Venom immunotherapy in the Hymenoptera-allergic pregnant patient. In: J Allergy Clin Immunol 1990, 85: 709–12
- Sturm, GJ et al.: EACCI guidelines on allergen immunotheraphy: Hymenoptera venom allergy. In: Allergy. 2018 Apr;73(4):744-764.
- Valentine M. et al.: The value of immunotherapy with venom in children with allergy to insect stings. In: N Engl J Med 1990, 323: 1601 - 16033
- Worm, M. et al.: Triggers and treatment of anaphylaxis: an analysis of 4000 cases from Germany, Austria and Switzerland. In: Dtsch Arztebl Int 2014, 111: 367–75.
Letzte Aktualisierung:
01.08.2021