Starke Verkehrsbelastung erhöht Wahrscheinlichkeit für Asthma
Wohnt ein Kind nahe einer verkehrsreichen Straße, steigt die Wahrscheinlichkeit, als Grundschüler Asthma zu entwickeln, um fast das Dreifache an. Zu diesem Ergebnis kam ein US-amerikanisches Forscherteam anhand von Daten einer Gruppe von mehr als 1500 Kindern, die in der Gegend von Boston leben.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler interessierten sich für etwaige Zusammenhänge zwischen der Nähe des Wohnorts zu einer viel befahrenen Straße und Asthma-Erkrankungen im Kindergarten- und Schulalter. Die insgesamt 1500 Studienteilnehmer kamen aus einer Langzeitstudie der Harvard-Universität. Im „Project Viva“ hatten Mütter aus der Gegend von Boston bereits früh in der Schwangerschaft eingewilligt, sich gemeinsam mit ihren damals noch ungeborenen Kindern regelmäßigen Untersuchungen zu unterziehen.
Wohnadressen erfasst
Das Forscherteam erfasste bei der Geburt und bei jedem der anschließenden Studienbesuche der Mutter-Kind-Paare die Wohnadresse und die Entfernung zur nächsten größeren Verkehrsader. Mit einer speziell für die Bostoner Gegend entwickelten Messmethode schätzten die Wissenschaftler zusätzlich die Belastung des Kindes mit Ruß- und Feinstaubpartikeln am Wohnort ab. Im gesamten Untersuchungsgebiet entsprach die Luftbelastung den geltenden Vorschriften der US-Umweltbehörde. Die Mütter wurden jeweils nach charakteristischen Asthmasymptomen im Kindergarten- und Grundschulalter gefragt.
So gelang es, die Asthmasymptome in direkte Beziehung zur Verkehrs- und Luftbelastung am Wohnort zu setzen. Die Wissenschaftler konnten aus den Daten sogar ersehen, inwieweit ein Umzug das Asthmarisiko veränderte. Schulkinder, die zum Zeitpunkt der Untersuchung an einer verkehrsreichen Straße wohnten, hatten auch dann ein höheres Asthmarisiko, wenn sie an diesem Ort nicht schon seit Geburt gelebt hatten. Insgesamt lag bei den 54 Grundschulkindern, die in einer Entfernung von weniger als 100 Metern zu einer großen Straße lebten, die Wahrscheinlichkeit, Asthma zu entwickeln beim Dreifachen des Durchschnitts.
Wahrscheinlichkeit bei Mädchen höher
Sowohl die Belastung mit Ruß- als auch mit Feinstaubpartikeln erhöhten die Wahrscheinlichkeit für Asthma bei Mädchen stärker als bei Jungen. Dieser Unterschied war bei Kindergarten- wie Grundschulkindern sichtbar. Allergische Erkrankungen der Eltern oder eine frühe Neurodermitis erhöhten die Wahrscheinlichkeit ebenfalls.
Die Studie reiht sich damit ein in eine große Zahl widersprüchlicher Forschungsergebnisse. Ein anderes US-Forscherteam war 2015 zu dem Ergebnis gekommen, dass zwischen hoher Luftbelastung durch Verkehr in den ersten Lebensjahren und dem Auftreten eines pfeifenden, brummenden Atem-Nebengeräuschs (Giemen) ein Zusammenhang besteht. Die große europäische Multicenterstudie ESCAPE fand im selben Jahr zwar Zusammenhänge zwischen Asthma und drei durch Straßenverkehr verursachten Luftschadstoffen, aber für eine statistische Signifikanz reichten die Hinweise nicht. Im Unterschied zu dieser Studie haben die Harvard-Wissenschaftler jetzt wechselnde Wohnadressen – und somit wechselnde Belastung der Kinder – in ihre Analyse einbezogen.
Quellen:
Rice, M. et al.: Lifetime Air Pollution Exposure and Asthma in a Pediatric Birth Cohort, Journal of Allergy and Clinical Immunology (2018), doi: 10.1016/j.jaci.2017.11.062
Brunst, K. et al.: Timing and Duration of Traffic-related Air Pollution Exposure and the Risk for Childhood Wheeze and Asthma. In: Am J Respir Crit Care Med Vol 192, Iss 4, pp 421–427, Aug 15, 2015
Mölter, A.et al.: A multicentre study of air pollution exposure and childhood asthma prevalence: the ESCAPE project. In: Eur Respir J 2015; 45 610–624