Allergie und Berufswahl

Jedes Jahr brechen rund 30.000 Jugendliche ihre Ausbildung ab, weil sie an einer Allergie erkrankt sind. Dennoch spielt die Frage von Allergien bei der Berufswahl bislang eine untergeordnete Rolle. Selbst unter Jugendlichen, die bereits im Schulalter eine Allergie entwickelt hatten, lassen sich nur zur zehn Prozent bei der Berufswahl ärztlich beraten. Weniger als fünf Prozent geben an, dass die Gefahr von Allergien bei ihrer Entscheidung eine Rolle gespielt hat. Dabei gibt es heute gute Möglichkeiten, das individuelle Erkrankungsrisiko abzuschätzen.

Die häufigsten allergischen Erkrankungen, die im Beruf entstehen oder sich dort verschlimmern, sind das allergische Asthma, die allergische Rhinitis und das allergische Handekzem. In den meisten Fällen verschlimmern sich bereits vorhandene allergische Erkrankungen. Sie können aber auch neu auftreten. Dies geschieht in vielen Fällen bereits in den ersten sechs bis zwölf Monaten am Arbeitsplatz.

Was ist allergisches Asthma bronchiale?

Junge Frau atmet inhaliert mit einer Inhalationskammer und einem Asthmaspray
©Keith Frieth/fotolia

Bei Asthma bronchiale – meist vereinfachend als Asthma bezeichnet – handelt es sich um eine chronische Atemwegserkrankung. Der Begriff stammt aus dem Griechischen und bedeutet sinngemäß „Beklemmung“ oder „Keuchen“.

Bei den Betroffenen besteht – begründet durch eine genetische Veranlagung – eine chronische Entzündung der Atemwegsschleimhaut, die mit einer erhöhten Empfindlichkeit des Bronchialsystems gegenüber verschiedenen Reizen einhergeht. Diese so genannte bronchiale Hyperreagibilität (oder Übererregbarkeit der Atemwege) führt anfallsweise zur Verengung der Bronchien (=Atemwegsobstruktion), welche die Asthma-typischen Symptome hervorruft. Dazu zählen pfeifende Atmung, Kurzatmigkeit und Luftnot, ein Engegefühl in der Brust oder auch nur Husten. 

>> Mehr zum Thema allergisches Asthma

Wie lässt sich das Risiko für allergisches Asthma bei der Berufswahl verringern?

Kind liegt auf weicher Flauschdecke und hält eine junge schwarze Katze vor der Brust
© Alena Ozerova/fotolia

Rund acht Prozent aller 14-17-Jährigen sind an einem Asthma bronchiale erkrankt. Alle Betroffenen von Berufen fernzuhalten, die für ein hohes Asthmarisiko bekannt sind, lässt sich nur bei schwer asthmakranken Jugendlichen begründen. Denn bei drei Vierteln aller Jugendlichen mit einer allergischen Erkrankung in der Vorgeschichte verschlechtert sich das Krankheitsbild im Beruf nicht. Anders sieht es aus, wenn Menschen bereits vor dem Berufseintritt auf ein Allergen, das im Wunschberuf häufig vorkommt und nicht vermeidbar ist, sensibilisiert sind oder bereits eine Allergie entwickelt haben. So ist es beispielsweise für Jugendliche mit Katzenallergie nicht ratsam, Tierarzthelferin oder Tierpfleger zu lernen.

Wie kann man das individuelle Risiko eines beruflich verursachten Asthmas besser abschätzen?

Das Risiko, Asthma oder eine andere allergische Erkrankung zu bekommen, ist immer eine Mischung aus genetischen und Umweltfaktoren. Auf der Grundlage zahlreicher Studien hat das Institut für Arbeits-, Sozial und Umweltmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München einen Allergierisikorechner entwickelt. Aus insgesamt zehn Faktoren wird dort das individuelle Risiko abgeschätzt, mit dem junge Erwachsene bis zum Alter von 25 Jahren mit dem erstmaligen Auftreten einer Asthmaerkrankung rechnen müssen. Treffen alle zehn Risikofaktoren zu, ergibt sich eine Wahrscheinlichkeit von 70,1 Prozent. Trifft nur ein einziger dieser Faktoren zu, so ist die Wahrscheinlichkeit wesentlich geringer, nämlich zwischen 0,6 und 2,3 Prozent. Zum Vergleich: Selbst Menschen, bei denen kein Risikofaktor vorhanden ist, haben noch ein Risiko von 0,5 Prozent an allergischem Asthma zu erkranken.  

Wie wahrscheinlich ist eine Asthma-Erkrankung?

Risikofaktoren Wahrscheinlichkeit (%)
Kein Risikofaktor vorhanden 0,5
Frauen 0,8
Sozioökonomischer Status (gering) 0,7
Mind. 1 Elternteil Asthmatiker 1,9
Mind. 1 Elternteil mit atopischer Dermatitis 0,7
Nicht gestillt 0,8
Keine Geschwister 0,7
Positiver Pricktest auf ubiquitäre Allergene im Kindesalter 2,3
Passivrauchexposition in der Pubertät 0,9
Nie berufliche Exposition in einem Beruf mit geringem Asthmarisiko 0,6
Jemals berufliche Exposition in einem Beruf mit hohem Asthmarisiko 0,6
Alle Risikofaktoren vorhanden 70,1


Quelle: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin hrsg.: Damit der Traumberuf nicht zum Albtraum wird. 2. Aufl., Juni 2014, S. 16

Was ist allergische Rhinitis?

Kleines Mädchen mit einer Taschentücherbox putzt sich die Nase, drum herum liegen bereits benutzte, zusammengeknüllte Taschentücher
© Serhiy Kobyakov, 2010/fotolia

Die allergische Rhinitis ist das bekannteste Krankheitsbild vieler Allergien vom Soforttyp. Meist spricht man von Heuschnupfen. Landläufig sind damit Erkältungssymptome gemeint, mit denen viele Menschen im Frühjahr auf umherfliegenden Blütenstaub (Pollen) reagieren. Doch nicht nur Baum-, Gräser-, Kräuter- oder Getreidepollen können eine allergische Rhinitis auslösen, sondern auch Tierhaare, Schimmelpilze oder Hausstaubmilben. Dann treten die Symptome nicht nur saisonal, sondern oftmals während des ganzen Jahres auf. Berufsstoffe, die eine Rhinitis verursachen können, sind zum Beispiel Mehl oder Holzstäube.

Wie lässt sich das Risiko für allergische Rhinitis bei der Berufswahl verringern?

Etwa 16 bis 20 Prozent aller Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren leiden in Deutschland an einer allergischen Rhinitis. Anders als Asthma tritt sie im jungen Erwachsenenalter relativ selten neu auf. Häufig sind dagegen zusätzliche Sensibilisierungen gegen neue Allergene, wenn schon vorher im Kindesalter eine allergische Rhinitis bestanden hat. Dann können durchaus Sensibilisierungen gegen berufstypische Stoffe hinzukommen.

Auch für die allergische Rhinitis haben die Münchner Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen Allergierisikorechner entwickelt. Das weitaus größte Risiko für eine berufstypische Sensibilisierung besteht, wenn schon im Kindesalter ein positiver Pricktest vorlag. 22,1 Prozent der Jugendlichen mit dieser Voraussetzung werden wahrscheinlich auch bei Kontakt mit einem berufstypischen Allergen einen allergischen Schnupfen bekommen.

Insgesamt tragen bei der allergischen Rhinitis neun Faktoren zur Wahrscheinlichkeit einer beruflich verursachten Erkrankung bei. Bei mehr als der Hälfte aller Jugendlichen (55,8%), auf die alle neun Risikofaktoren zutreffen, wird sich wahrscheinlich eine weitere Allergie entwickeln.  

Was ist ein allergisches Handekzem?

Kratzen bei deutlichem Ausschlag auf dem Handrücken
© stock.adobe.com/fotolia

Bei Handekzemen handelt es sich häufig um Kontaktallergien. Die ersten Anzeichen eines akuten Handekzems sind gerötete Hautpartien, die oft mit Bläschenbildung und Juckreiz einhergehen. Meist sind nur die Hautstellen betroffen, die in direktem Kontakt mit dem allergieauslösenden Stoff standen. Es können jedoch auch so genannte Streuherde entstehen, die weiter entfernt sind. Manchmal kommt es zu großflächigen, nässenden Ausschlägen.

Das chronische Handekzem ist gekennzeichnet durch eine stark schuppende, eingerissene, verdickte und verhornt erscheinende Haut. Im Laufe der Jahre kann sich ein chronisch-degeneratives Ekzem ausbilden. Hier kommen noch ausgeprägte Hauttrockenheit an den geschädigten Stellen und ein deutlich längerer Heilungsprozess hinzu.

Bei Jugendlichen, die in ihrer Kindheit mit Neurodermitis (atopische Dermatitis, atopisches Ekzem) diagnostiziert wurden, ist auch das Risiko für das Auftreten eines Handekzems erhöht.  

>> Mehr zum Krankheitsbild der Kontaktallergie

Wie lässt sich das Risiko für allergische Handekzeme bei der Berufswahl verringern?

Ungefähr sechs Prozent aller 14-17jährigen Jugendlichen leiden bereits an einem allergischen Handekzem. Insgesamt sieben Risikofaktoren tragen zu der Erkrankung bei. Das individuelle Risiko für das Auftreten eines Handekzems bis ins junge Erwachsenenalter lässt sich ebenfalls mit einem Allergierisikorechner abschätzen. Neben der Diagnose einer Neurodermitis im Kindes- oder Jugendalter ist Feuchtarbeit ein weiterer wichtiger Faktor, der auf eine Gefährdung hinweist. Unter Feuchtarbeit versteht man alle Tätigkeiten, bei denen Beschäftigte regelmäßig mehr als zwei Stunden mit ihren Händen Tätigkeiten im feuchten Milieu ausführen, häufig bzw. intensiv ihre Hände reinigen oder feuchtigkeitsdichte Handschuhe tragen müssen, die einen Wärme- und Flüssigkeitsstau hervorrufen.

Jugendliche, bei denen alle sieben Risikofaktoren (s.u.) zutreffen, werden mit einer Wahrscheinlichkeit von 69 Prozent im Beruf ein Handekzem bekommen. Sorgfältige Beratung vor Berufseintritt ist hier besonders wichtig, weil zehn Prozent aller Betroffenen ihren Beruf nach einiger Zeit aufgeben, wenn sie von Handekzemen geplagt werden.  

So wahrscheinlich ist ein Handekzem

Risikofaktoren Wahrscheinlichkeit (%)
Kein Risikofaktor vorhanden 2,5
Hoher sozioökonomischer Status 3,2
Frauen 3,9
Jemals Feuchtarbeit ausgeübt 3,3
Ärztliche Dermatitisdiagnose im Kindesalter 8,5
Ärztliche Dermatitisdiagnose im Jugendalter 7,8
Positiver Haut-Prick-Test im Kindesalter 3,8
Mind. 1 Elternteil mit Asthma 4,0
Alle Risikofaktoren vorhanden 69,0


Quelle: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin hrsg.: Damit der Traumberuf nicht zum Albtraum wird. 2. Aufl., Juni 2014, S. 21 

Prävention einer berufsbezogenen allergischen Erkrankung

Bäckermeister und Lehrling beim Brot backen auf einem mehlbestäubten Arbeitstisch
© fotolia

Rund die Hälfte bis zwei Drittel aller Jugendlichen, bei denen nach diesen Modellen alle Risikofaktoren für allergisches Asthma, Rhinitis oder Handekzeme zutrafen, war tatsächlich im Laufe ihres Berufslebens von diesen Erkrankungen betroffen. Ein erheblicher Prozentsatz blieb aber verschont.  

Vielfach traten die Symptome in den ersten drei Berufsjahren, häufig sogar in den ersten sechs bis zwölf Monaten nach Tätigkeitsbeginn auf. Fachleute raten daher zu einer intensiven Betreuung der Jugendlichen in Risikoberufen (PDF, 32 KB) bereits vor Beginn und in den ersten Jahren der Tätigkeit. Regelmäßige Informationen an Schulen haben sich ebenso bewährt wie das Trainieren von Hautschutzmaßnahmen bei Berufseintritt sowie regelmäßige gründliche Untersuchungen.

Gut zu wissen:

Ehe wegen Verdacht auf berufsbezogenes Asthma oder eine berufsbezogene Allergie ein Job überstürzt gekündigt wird, sollte man einen allergologischen Facharzt oder eine Fachärztin aufsuchen. Bei Verdacht auf Berufsasthma empfehlen Experten immer eine mindestens dreiwöchige Beobachtung der Lungenfunktion, mit und ohne Kontakt zum Arbeitsplatz.

Arbeitsmediziner empfehlen, Jugendliche mit hohem Risikoprofil in den ersten zwei Jahren ihrer Berufstätigkeit alle sechs Monate zu untersuchen. So können frühe Anzeichen für das Auftreten eines allergischen Asthmas, einer allergischen Rhinitis oder eines Handekzems rechtzeitig entdeckt werden. Zu diesen frühen Anzeichen gehören

  • beim Asthma: Hustenreiz und anfallsartig auftretende Atemnot bereits bei geringfügigen Reizen (Einatmen von kalter Luft oder Inhalationsnoxen wie Kohlenstoffmonoxid)

  • bei allergischer Rhinitis: Nachweis einer Sensibilisierung gegen einen Berufsstoff

  • bei Hautekzemen: Veränderungen der Haut

Sind auf diese Weise erste Krankheitsanzeichen entdeckt worden, so lassen sich rasch Maßnahmen einleiten, die unter günstigen Bedingungen eine komplette Aufgabe des Berufes verhindern. Am wichtigsten ist dann, den Kontakt mit dem auslösenden Stoff möglichst zu reduzieren oder ganz zu meiden (Allergenkarenz) und so bald wie möglich eine Therapie zu beginnen.

Quellen:

Die hier aufgeführten Leitlinien und Aufsätze richten sich, so nicht ausdrücklich anders vermerkt, an Fachkreise. Ein Teil der hier angegebenen Aufsätze ist in englischer Sprache verfasst.

Letzte Aktualisierung:

21. Dezember 2017