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Genforschung und Allergie - DNA beeinflusst Allergie
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Genforschung zu Allergie

Was hat Genforschung mit Allergien zu tun? – Man kennt bereits einzelne Gene, die in Verbindung mit Allergien und allergischen Erkrankungen stehen. Das Erbgut (Genom) hat also einen Einfluss auf deren Entstehung. Mithilfe von Genforschung wird deshalb genauer nach Auslösern und Zusammenhängen von beispielsweise allergischem AsthmaNeurodermitisHeuschnupfen oder Nahrungsmittelallergie geforscht. Doch die Suche nach den Ursachen ist komplex, denn bei einer Allergie sind Kombinationen mehrerer Gene beteiligt. Und nicht nur das: Auch äußere Risikofaktoren wie Umwelteinflüsse, mütterliche Ernährung, Mikrobiom oder übertriebene Hygiene beeinflussen vermutlich zusätzlich, ob eine Allergie entsteht.

Wissenschaftliche Beratung:

Dr. Stefanie Eyerich, Helmholtz Munich, Institut für Allergieforschung

E-Mail: stefanie.eyerich@helmholtz-muenchen.de

Was hat Genforschung mit Allergien zu tun? – Man kennt bereits einzelne Gene, die in Verbindung mit Allergien und allergischen Erkrankungen stehen. Das Erbgut (Genom) hat also einen Einfluss auf deren Entstehung. Mithilfe von Genforschung wird deshalb genauer nach Auslösern und Zusammenhängen von beispielsweise allergischem AsthmaNeurodermitisHeuschnupfen oder Nahrungsmittelallergie geforscht. Doch die Suche nach den Ursachen ist komplex, denn bei einer Allergie sind Kombinationen mehrerer Gene beteiligt. Und nicht nur das: Auch äußere Risikofaktoren wie Umwelteinflüsse, mütterliche Ernährung, Mikrobiom oder übertriebene Hygiene beeinflussen vermutlich zusätzlich, ob eine Allergie entsteht.

Wissenschaftliche Beratung:

Dr. Stefanie Eyerich, Helmholtz Munich, Institut für Allergieforschung

E-Mail: stefanie.eyerich@helmholtz-muenchen.de

Personalisierte Medizin: Epigenetik und Biomarker im Fokus

Genforschung hilft, Entstehungsmechanismen einer Allergie genauer zu entschlüsseln und das Zusammenspiel von Risikofaktoren und Genetik zu erklären. Ein Forschungsfokus liegt dabei auf sogenannten Biomarkern im Genom, die als Ansatzstelle für neue Therapien dienen. Außerdem untersuchen Genforschende die Epigenetik, also den Einfluss von Umweltfaktoren auf die Funktionalität einzelner Gene. Ziel von Wissenschaftler:innen ist es, mithilfe der Genforschung das individuelle Allergierisiko genauer vorherzusagen und die Therapie von Allergien zu verbessern. Denn: personalisierte Diagnosen und Therapien sind häufig wirksamer als allgemeine Behandlungskonzepte.

Wechselspiel von Genen bestimmt Allergierisiko

Weil nicht ein einzelnes Gen, sondern Kombinationen aus mehreren Genen die Wahrscheinlichkeit für eine Allergie erhöhen, ist die Erforschung der genauen Ursachen und Mechanismen komplex: Unbekannt ist bisher, ob bereits alle an der Entstehung einer Allergie beteiligten Gene bekannt sind. Und auch, ob und wie sie mit anderen Genen zusammenwirken müssen, um das Risiko für eine Allergie zu erhöhen oder zu verringern. Da es von einem Gen zusätzlich Genvarianten geben kann, also Mutationen, die als Folge von kleinen Veränderungen im Erbgut entstehen, wird die Erforschung der Zusammenhänge noch umfangreicher.

Epigenetik beeinflusst das individuelle Allergierisiko

Neben den Genen selbst ist die Epigenetik ein weiterer Einflussfaktor für die Entstehung und den Verlauf einer Allergie. Epigenetische Veränderungen sind die Antwort auf äußere Umwelteinflüsse, die die Aktivität von Genen verändern können. Umweltschadstoffe, Hunger oder Rauchen sind Beispiele für diese äußeren Reize. Sie bewirken, dass beispielsweise chemische Anhängsel an die DNA oder an DNA-bindende Proteine geknüpft werden. Epigenetische Faktoren entscheiden darüber, ob ein Gen an- oder abgeschaltet wird. Anders als die Gene des Genoms sind epigenetische Einflüsse beispielsweise durch einen veränderten Lebensstil wieder umkehrbar. Gentechnik kann auch diese epigenetischen Veränderungen im Erbgut erfassen und analysieren.

High-Tech beschleunigt Genforschung

Seit Beginn des 21. Jahrhunderts leisteten moderne Verfahren zur DNA-Analyse sowie leistungsstarke Computer einen enormen Schub in der Genforschung zu Allergien. Im Rahmen sogenannter genomweiter Assoziationsstudien (GWAS) oder epigenomweiter Assoziationsstudien (EWAS) unterstützen Hochleistungstechnologien die Entschlüsselung unverstandener Rätsel der Allergie-Genetik im Zusammenhang mit weiteren Risikofaktoren für Allergien. Beispiele hierfür sind die Fragen, wie sich Allergie-Gene abhängig vom Alter, Geschlecht und der ethnischen Zugehörigkeit auf das Risiko für Allergien auswirken.

Methoden der Genforschung zu Allergie

Moderne molekularbiologische Analyseverfahren wie die DNA-Sequenzierung, die die Erbinformation in den Genen oder dem Genom genau entschlüsseln, haben die Suche nach genetischen Auffälligkeiten im Zusammenhang mit Allergien stark beschleunigt: Die Hochdurchsatz-Sequenzierung (next generation sequencing) ermöglicht, die gesamte menschliche DNA von über drei Milliarden Basenpaaren innerhalb weniger Tage zu analysieren. Das Erbgut kann so innerhalb großer Bevölkerungsgruppen auf genetische Unterschiede zwischen Menschen mit und ohne Allergie untersucht werden. Das Ergebnis dieser genomweiten Assoziationsstudien (GWAS): Es wurden viele so genannte Kandidatengene gefunden, die im Zusammenhang mit Allergien stehen. Kennzeichnend für sie ist, dass sie funktional wichtig für allergische Abläufe oder Abläufe, die mit einer Allergie im Zusammenhang stehen, sind. Beispiele hierfür sind: die Barrierefunktion der Haut, die Reifung und Funktion von Immunzellen bis hin zu typischen allergischen Reaktionen wie die IgE-Antwort der B-Zellen bei Kontakt mit Allergenen sowie die Bildung von Entzündungsbotenstoffen, sogenannter Interleukine (wie IL-13, IL-4).

SNPs und Kandidatengene: Marker für Allergierisiko

Die Methoden der DNA-Sequenzierung sind so exakt, dass selbst ein einzelnes verändertes Basenpaar (SNP, engl. Single Nucleotide Polymorphism) innerhalb der DNA bestimmt werden kann. Forschende gehen derzeit davon aus, dass im gesamten Erbgut mehr als 20 Millionen SNPs existieren. Die meisten SNP-Mutationen sind in DNA-Abschnitten zu finden, die keine Informationen zur Bildung eines Proteins haben und daher weniger bedeutend für die Entstehung oder den Verlauf einer Allergie sind. Einige SNPs aber befinden sich in oder in der Nähe von Kandidatengenen für Allergien und könnten daher das Allergierisiko beeinflussen. Welche SNPs der Kandidatengene eine Allergie wahrscheinlich machen, ist noch nicht vollständig geklärt. Je mehr Allergiker:innen aber denselben SNP, also dieselbe Genvariante besitzen, desto wahrscheinlicher stehen diese veränderten Basenpaare im Zusammenhang mit einer Allergie.

Zur Bestimmung von Genen, die im Zusammenhang mit einer Allergie stehen, eignen sich folgende Verfahren:  

  • Hochdurchsatz-Sequenzierung: Hier wird die gesamte, über drei Milliarden Basenpaare lange, DNA analysiert.
  • Re-Sequenzierung: Einzelne Kandidatengene werden untersucht.
  • Exom-Sequenzierung: Hier werden Gene bestimmt, die im Zusammenhang mit einer Allergie stehen. Dieses Verfahren ist kostengünstiger und hat zudem einen Vorteil: Hier können auch kürzere DNA-Abschnitte oder eben nur genau der Teil des Genoms sequenziert werden, der in ein Protein übersetzt wird.

Spezielle Suche nach Kandidatengenen

Ein Beispiel für neue Erkenntnisse, die mithilfe der Re-Sequenzierung erzielt wurden, ist die Entdeckung, dass bestimmte Genvarianten nach einer Infektion mit dem respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) an der Entstehung einer Allergie beteiligt sind. Herausgefunden hat dies ein US-Forschungsteam: Es untersuchte bei Kindern, die als Säugling mit dem respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) infiziert waren und später an Asthma erkrankten, 131 Kandidatengene und fand bei ihnen besonders häufig die SNP-Varianten in den Genen ADRB2, FLG, NOS1 und NCAM1. Dies spricht dafür, dass nach einer RSV-Infektion diese Genvarianten an der Entstehung einer Allergie beteiligt sind. Diese Vermutung liegt nahe, weil die Proteine an wichtigen Organfunktionen beteiligt sind: das Protein ADRB2 an der Bronchodilatation, das Protein FLG an der Schutzfunktion der Haut und das Protein NOS1 an der Regulation von glatten Muskelzellen.   

Alle Genvarianten im Visier

Anders als die zuvor beschriebene SNP-Sequenzierung werden bei der sogenannten Exom-Sequenzierung (Whole Exome Sequencing) nicht einzelne Kandidatengene untersucht, sondern alle im Erbgut enthaltenen Gene, die in Proteine übersetzt werden (= Exom). Dadurch können neue Genvarianten ausfindig gemacht werden, die nur bei Allergiker:innen vorhanden sind und Menschen ohne Allergie fehlen. Ein südkoreanisches Forschungsteam ging beispielsweise der Frage nach, welche Genvarianten besonders häufig in Familien mit Neurodermitis vorkommen: Sie untersuchten das Exom von drei Familien mit Neurodermitis und stellten drei häufige Genvarianten in dem Gen COL6A6 fest. Da dieses Gen die Information zur Bildung eines Proteins in der Haut enthält, könnten diese Genvarianten Risikofaktoren für Neurodermitis sein.

Genforschung zu allergischem Asthma

In der Collaborative Study on the Genetics of Asthma (CSGA) untersuchten Forschende das Genom von 140 Familien, bei denen allergisches Asthma häufig auftrat: Sie fanden sechs Genvarianten. In vielen genomweiten Assoziationsstudien wurden über 100 Kandidatengene und mehr als 200 Genvarianten mit allergischem Asthma in Verbindung gebracht.

Eine umfassende Studie zur Genetik von allergischem Asthma, an dem auch Forschende von Helmholtz Munich beteiligt waren, wurde im Rahmen des EU-Projekts GABRIEL durchgeführt: Das Konsortium von 164 Wissenschaftler:innen aus 19 Ländern verglich über 300.000 genetische Merkmale im Erbgut von 10.365 Menschen mit allergischem Asthma und 16.110 gesunden Probanden. Dabei bestätigten sie ein zuvor identifiziertes Gen auf Chromosom 17 und fanden fünf weitere Genvarianten, die zur Entstehung der Erkrankung beitragen können. Ob diese Genvarianten tatsächlich an der Allergieentstehung beteiligt sind, muss in weiteren Studien geprüft werden.

Mutation als Grundlage für neuen Wirkstoff

Eine genomweite Assoziationsstudie (GWAS) des EVE-Konsortiums bestätigte die Ergebnisse des GABRIEL-Projekts. Außerdem entdeckten Forschende eine neue Genvariante (TSLP) und in deren Nähe eine Mutation, die vor allergischem Asthma schützt. Das Protein TSLP, ein Zytokin, das nach Bauplan der Genvariante produziert wird, reguliert allergische Entzündungsprozesse. Dieses Wissen wurde genutzt, um den Antikörper Tezepelumab (Anti-TSLP) als Wirkstoff gegen allergisches Asthma zu entwickeln, Tezepelumab wurde 2021 zugelassen.

Asthma-Gene im Visier

2018 wurden bisher identifizierte Gensequenzen bestätigt und weitere Sequenzen identifiziert: Die Gene oder Genvarianten von IL-13, RAD50, IL-4 oder PGAP3, ERBB2, HLA-122, DRB1/-DQA1 zählen zu weiteren Allergie-Genen, die mit allergischem Asthma in Verbindung stehen. Um spezifische Therapien zu entwickeln, forschen Expert:innen auch hier nach einem Antikörper, der sich gegen Interleukin IL-13 richtet. Der gegen IL-13 gerichtete Antikörper zur Therapie von allergischem Asthma ist ein Zytokin, das an der Immunreaktion von Allergien wesentlich beteiligt ist. Er ist bereits für die Behandlung von Neurodermitis zugelassen und zeigt auch vielversprechende Ergebnisse für eine Asthma-Therapie. Zusätzliche Erkenntnis: Diese Gene beeinflussen den Zeitpunkt, wann eine Allergie entsteht – im Kindes- oder erst im Erwachsenenalter.

Auch auf epigenetischer Ebene konnten Forschende aufschlussreiche Erkenntnisse gewinnen: Epigenetische Assoziationsstudien (EWAS) konnten zeigen, dass bei Menschen mit Asthma oder anderen Allergien bestimmte epigenetische Veränderungen, beispielsweise in den Epithelzellen der Nasen und Bronchien sowie in Blut- oder Immunzellen, vorhanden sind. Ungeklärt ist jedoch, ob diese epigenetischen Veränderungen zu der Entstehung einer Allergie beitragen oder erst aufgrund einer Allergie entstanden sind.

Geringeres Allergierisiko bei Bauernhofkindern

Genforschung gibt auch genauere Einblicke in das als Hygienehypothese oder Bauernhofhypothese bekannte Phänomen: Bekannt ist, dass Kinder, die auf einem Bauernhof aufwachsen, seltener allergisches Asthma oder eine Allergie haben. Forschende des Deutschen Zentrums für Lungenforschung (DZL) fanden gemeinsam mit Kolleg:innen aus Belgien und Frankreich durch genauen Blick ins Genom (Erbut) heraus, dass vor allem Bestandteile der bakteriellen Zellmembran (= Lipopolysaccharid, LPS) von bestimmten Bakterien vor allergischen Erkrankungen schützen könnten. Da die untersuchten Bakterien vor allem im Kuhstall und Rohmilch vorkommen, bestätigte die mithilfe der Genforschrung gewonnenen Erkenntnisse, warum Bauernhofkinder ein verringertes Risiko für allergisches Asthma oder andere allergische Erkrankungen haben: Sie trinken häufiger Rohmilch und halten sich öfter im Kuhstall auf. 

Derzeit untersuchen Forschende auch, ob bestimmte Bakterienarten des Mikrobioms der Lunge oder des Darms mit verschiedenen Asthma-Formen in Zusammenhang stehen. Ihr Ziel: Sie wollen feststellen, ob neben genetischen oder epigenetischen Kennzeichen auch das Mikrobiom als Biomarker genutzt werden könnte, um personalisierte Möglichkeiten zur Diagnose, Vorbeugung und Behandlung von allergischem Asthma zu entwickeln.

Genforschung zu Neurodermitis (Atopisches Ekzem)

Genomweite Assoziationsstudien (GWAS) brachten auch für das Krankheitsbild Neurodermitis wichtige Erkenntnisse: Bei über 30 Genorten wurde ein Zusammenhang mit dem atopischen Ekzem gefunden. Einige dieser Gene sind an der Schutzfunktion der Haut oder an Entzündungsprozessen der Neurodermitis beteiligt.

An der bis heute größten genomweiten Assoziationsstudie waren Wissenschaftler:innen von Helmholtz Munich und des Exzellenzclusters „Entzündungsforschung“ federführend beteiligt. Das internationale Team verglich an mehr als 15 Millionen Stellen das Erbgut von Personen mit und ohne Neurodermitis. Das Ergebnis: Bei zehn neu entdeckten Genorten gilt ein Zusammenhang mit dem atopischen Ekzem als wahrscheinlich. Hier liegen die Genorte in oder in der Nähe von Allergie-Genen, die wichtig für die angeborene Immunabwehr sind: Sie regulieren die Funktion von T-Zellen.

Allgemeine Anfälligkeit für Entzündung

Überraschende Erkenntnis dieser Studie: Einige der neu entdeckten Gene beeinflussen nicht nur die Wahrscheinlichkeit einer Neurodermitis, sondern auch das Risiko für allergisches Asthma und allergische Rhinitis oder sogar das Risiko für andere entzündliche Erkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa. Die Forschenden vermuten daher, dass bei vielen Menschen eine vererbte Anfälligkeit für Entzündungskrankheiten im Allgemeinen besteht. Damit sich diese Neigung in Form von Neurodermitis auf der Haut zeigt, scheinen noch weitere spezielle erbliche und umweltbedingte Faktoren oder das Mikrobiom wirken zu müssen.

Neurodermitis: Einfallstor für Allergien

Neurodermitis gilt als Einfallstor für die Entstehung weiterer Allergien: Menschen mit Neurodermitis haben später häufig eine Nahrungsmittelallergie, Asthma oder Heuschnupfen. Um mehr über die genetischen Ursachen dieses sogenannten atopischen Marsches (Atopie) zu erfahren, wertete eine internationale Forschungsgruppe die Daten von knapp 20.000 Personen aus zwölf Studien aus. Darunter waren 2.428 Probanden mit frühkindlicher Neurodermitis, die auch an Asthma erkrankten, und 17.034 gesunde Personen. Bei sämtlichen Untersuchungen handelte es sich um genomweite Assoziationsstudien, in denen das Erbgut der Teilnehmenden auf Millionen von SNPs durchsucht wurde.

Durch den Vergleich der Genomdaten betroffener und gesunder Personen fanden die Forschenden zwei bisher unbekannte Genorte, die spezifisch den Zusammenhang zwischen Neurodermitis und Asthma betreffen. Insgesamt konnte das von Wissenschaftler:innen des Berliner Max-Delbrück-Zentrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) geleitete Team sieben Genregionen ausmachen, die bei der Entstehung der Neurodermitis eine Rolle spielen und das Risiko erhöhen, an weiteren Allergien zu erkranken.

Genforschung: Basis für neue Therapien

Wie wertvoll die Genforschung für die Behandlung von Neurodermitis ist, zeigt sich am Beispiel des Proteins Filaggrin. Filaggrin ist wichtig für die Vernetzung von Hautzellen und gilt als Schlüsselelement für eine intakte Hautbarriere. Mithilfe von Technologien der Genforschung wurde herausgefunden und später in der genomweiten Assoziationsstudie des EAGLE-Konsortiums bestätigt, dass bestimmte Genvarianten die Filaggrin-Produktion beeinträchtigen und damit das Risiko für Neurodermitis deutlich erhöhen. Die neue Erkenntnis wurde für die Entwicklung von Cremes und Salben genutzt: Den Produkten wurden Filaggrin-Bausteinen zugesetzt. Als Folge war die Haus besser versorgt und die Symptome der Neurodermitis verringert. 

Eine weitere Ansatzstelle für neue Therapien ist das Kandidatengen IL-13. Es spielt sowohl beim Krankheitsbild Asthma als auch Neurodermitis eine Rolle. Als eine Therapieoption ist der Antikörper Tralokinumab gegen IL-13 ist seit Juni 2021 zugelassen.

Sensibilisierung: Gene sind beteiligt

Expert:innen nutzen Genforschung auch, um die genetischen Ursachen der allergischen Sensibilisierung zu erforschen. Unter Sensibilisierung versteht man den immunologischen Prozess, der nach erstmaligen Kontakt mit einem eigentlich harmlosen Stoff aus der Umwelt die Bildung von Antikörpern gegen dieses Allergen veranlasst und damit die immunologische Basis für eine allergische Reaktion schafft. In einer umfangreichen Studie, in der mehrere Genomstudien mit fast 12.000 Allergiker:innen und etwa 20.000 gesunden Personen ausgewertet wurden, haben Wissenschaftler:innen zehn Gene gefunden, die mit einer allergischen Sensibilisierung in Zusammenhang stehen. Das Ergebnis: Die zehn Genorte sind mit mindestens 25 Prozent an der allergischen Sensibilisierung beteiligt.

In einer ähnlich umfassenden Meta-Analyse der genomweiten Assoziationen bei Personen mit Allergien gegen Katzenhaare, Hausstaubmilben und Pollen wurden diese Risikogene größtenteils bestätigt und noch weitere hinzufügt. Rund 20 genetische Variationen sind heute bekannt, die wichtig für die Sensibilisierung sind. Einer der Genorte mit der stärksten Verbindung zur allergischen Sensibilisierung greift offenbar in die Aktivierung von regulatorischen T-Zellen ein, die bei Menschen ohne Allergie Fehlreaktionen auf potenzielle Allergene verhindern. Welche Rolle sie genau bei der Allergieentstehung spielen, muss noch genau erforscht werden.

Während bereits bekannt ist, dass Gene allergisches Asthma und das atopische Ekzem beeinflussen, wurden mithilfe einer genomweiten Assoziationsstudie folgende neue Erkenntnisse untermauert: Genetische Faktoren können das Risiko für Nahrungsmittelallergien erhöhen und die allergische Rhinitis beeinflussen. Ebenso ergaben gentechnische Analysen erstmals Hinweise auf  krankheitsrelevante Genvarianten in Zusammenhang mit dem Krankheitsbild Kontaktallergie.

Quellen

Die hier aufgeführten Leitlinien und Aufsätze richten sich, so nicht ausdrücklich anders vermerkt, an Fachkreise. Ein Teil der hier angegebenen Aufsätze ist in englischer Sprache verfasst.

Letzte Aktualisierung:

01.11.2022