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Grundlagen des Immunsystems
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Aufbau und Funktion des Immunsystems

Um Allergien besser verstehen zu können, hilft es, Aufbau und Wirkungsweise des Immunsystems zu kennen. Dieses dient insbesondere dazu, Krankheitserreger wie Bakterien, Viren, Pilze, Parasiten oder andere körperfremde Stoffe abzuwehren wie auch körpereigene Vorgänge zu überwachen. Dazu gehört auch, bösartig veränderte Körperzellen auszuschalten, aus denen sich Krebs entwickeln kann. Das Immunsystem ist ein sehr komplexes System, an dessen Funktion eine Vielzahl von Zellen und Eiweißstoffen beteiligt ist. Bis heute ist noch nicht alles vollständig bekannt, sodass die Forschung auf diesem Gebiet immer wieder interessante neue Erkenntnisse bringt.

Wissenschaftliche Beratung:

Dr. Stefan Dehmel, Helmholtz Munich

E-Mail: stefan.dehmel@helmholtz-munich.de

Prof. Dr. Heidrun Behrendt, Dir. Emer. Zentrum Allergie und Umwelt (ZAUM)

E-Mail: heidrunbehrendt@web.de

Um Allergien besser verstehen zu können, hilft es, Aufbau und Wirkungsweise des Immunsystems zu kennen. Dieses dient insbesondere dazu, Krankheitserreger wie Bakterien, Viren, Pilze, Parasiten oder andere körperfremde Stoffe abzuwehren wie auch körpereigene Vorgänge zu überwachen. Dazu gehört auch, bösartig veränderte Körperzellen auszuschalten, aus denen sich Krebs entwickeln kann. Das Immunsystem ist ein sehr komplexes System, an dessen Funktion eine Vielzahl von Zellen und Eiweißstoffen beteiligt ist. Bis heute ist noch nicht alles vollständig bekannt, sodass die Forschung auf diesem Gebiet immer wieder interessante neue Erkenntnisse bringt.

Wissenschaftliche Beratung:

Dr. Stefan Dehmel, Helmholtz Munich

E-Mail: stefan.dehmel@helmholtz-munich.de

Prof. Dr. Heidrun Behrendt, Dir. Emer. Zentrum Allergie und Umwelt (ZAUM)

E-Mail: heidrunbehrendt@web.de

Schutz vor Infektionskrankheiten und Krebs

Die Leistungsfähigkeit des Immunsystems ist meist entscheidend dafür, ob eine Krankheit überhaupt ausbricht und wie sie verläuft: Wenn die Abwehr intakt ist, bemerken wir meist nichts von den vielen Vorgängen, die ständig in unserem Körper ablaufen. Wenn die immunologische Schutzfunktion dagegen nicht ausreicht oder gestört ist, werden wir krank. Das ist dann der Fall, wenn das Immunsystem durch andere Krankheiten (z. B. AIDS), bestimmte Medikamente oder andere Einflüsse geschwächt ist, oder wenn Krankheitserreger übermächtig sind oder sich zu schnell vermehren. Auch Krebszellen werden vom Immunsystem erkannt und bekämpft. Manchen Krebszellen kann es aber gelingen, den Abwehrmechanismen des Immunsystems zu entkommen oder dieses zu überlisten.

Unser Körper hat eine ganze Reihe von Waffen, mit denen er Krankheitserreger abwehren kann: Haut und Schleimhäute dienen als schützende Barriere, zahlreiche Enzyme im Speichel und in der Tränenflüssigkeit töten eindringende Krankheitserreger ab, ebenso die Säure im Magen. Aber auch wenn es Krankheitskeimen gelungen ist, in den Körper einzudringen, schützt uns ein gut wirksames Abwehrsystem vor dem Krankwerden. Voraussetzung dafür ist, dass die Erreger als „fremd“, das heißt, nicht zum eigenen Körper gehörend erkannt werden. Dieses Erkennen lernt unser Immunsystem schon vor der Geburt. Stoffe, die während des späteren Lebens von außen mit dem Körper in Kontakt kommen, werden als fremd angesehen und lösen eine Reaktion des Immunsystems aus. Eine solche Reaktion bezeichnet man auch als Immunantwort.

Wichtige Bestandteile des Immunsystems

Die Zellen des Immunsystems sind die Leukozyten (weiße Blutzellen). Sie werden im Knochenmark gebildet. Ihre „Ausbildung“ erhalten sie im lymphatischen Gewebe, das aus Lymphknoten, Milz, Thymus und Mandeln besteht. Anschließend zirkulieren die Leukozyten im Blut oder wandern ins Gewebe, wo sie eine Art Wächterfunktion übernehmen. Man unterscheidet verschiedene Unterarten von Leukozyten.

Granulozyten, die häufigste Art der weißen Blutzellen, bilden die erste Abwehrwelle gegen Bakterien. Sie können die Blutbahn verlassen und ins Gewebe einwandern, wo sie an Entzündungsreaktionen beteiligt sind und Parasiten und andere Krankheitserreger unschädlich machen.  

Die Lymphozyten spielen eine bedeutende Rolle bei der erworbenen, spezifischen Abwehr. Man unterscheidet zwei Gruppen: T- und B-Lymphozyten.

  • Die B-Lymphozyten (B-Zellen), die sich überwiegend in der Milz und in den Lymphknoten befinden, spielen für die Ausbildung von Allergien eine besondere Rolle. Sie bilden die spezifischen Antikörper, mit denen fremde Strukturen erkannt werden.
  • Die T-Lymphozyten (T-Zellen) „organisieren“ die Abwehr: Über Botenstoffe übermitteln sie Nachrichten an Fresszellen, B-Lymphozyten und weitere, an der Immunabwehr beteiligte Zellen. Diese werden von den T-Zellen dazu angeregt, aktiv zu werden. Bei den T-Zellen unterscheidet man weitere Untergruppen mit verschiedenen Aufgaben und Funktionen. Dazu zählen etwa T-Helfer-, (zytotoxische) T-Killer- oder T-Suppressor-Zellen. 

Neben Granulozyten und Lymphozyten zählen zu den weißen Blutzellen noch die Monozyten. Hierbei handelt es sich um sehr große Zellen, die sich zu so genannten Makrophagen entwickeln, wenn sie die Blutbahn verlassen und ins Gewebe wandern. Gemeinsam mit Granulozyten besitzen sie die Fähigkeit, Bakterien und andere Mikroorganismen, Zelltrümmer und sonstige Partikel in sich aufzunehmen und diese anschließend aufzulösen und/oder zu speichern. Deshalb bezeichnet man diese Gruppe von Zellen als Fresszellen, in der Fachsprache Phagozyten.

Zwei Anteile der Abwehr

Bei unserem Immunsystem unterscheidet man zwei Anteile: die angeborene allgemeine, sogenannte unspezifische und die erworbene spezialisierte, sogenannte adaptive Abwehr. Beide Systeme haben bestimmte Funktionen, wobei sie eng zusammenwirken. Bei Immunantworten beider Systeme ist jedes Mal eine Vielzahl von Zellen und Eiweißmolekülen (Proteinen) beteiligt, die spezielle Aufgaben erfüllen.

Das angeborene Immunsystem

Granulozyten und Makrophagen gehören zum angeborenen Immunsystem, das auch durch keimtötende Gewebestoffe, sogenannte antimikrobielle Peptide, oder spaltende Enzyme (z. B. im Speichel) unterstützt wird. Dieser sehr urtümliche Teil unseres Immunsystems begleitet uns vom ersten Tag an und erledigt etwa 90 Prozent der Aufgaben bei der Abwehr. Er arbeitet jedoch mit einem beschränkten Repertoire an Erkennungsmustern für fremde Organismen und hat Lücken. Diese füllt das erworbene Immunsystem.

Das erworbene Immunsystem

Das erworbene Immunsystem erlaubt uns eine maßgeschneiderte und sehr gezielte Abwehr jedes beliebigen Fremdkörpers, auch eines neu entstandenen Erregers. Eine zentrale Rolle spielen dabei spezialisierte Lymphozyten. Der Körper hat eine riesige Bibliothek von Lymphozyten, die alle unterschiedliche Oberflächenstrukturen, die Antigene erkennen, so dass immer einige Lymphozyten zu Keimen oder anderen körperfremden Stoffen passen und bei Bedarf aktiviert werden.

Bestimmte Lymphozyten bilden das „Gedächtnis“ des Immunsystems: Wenn sie einmal mit bestimmten Antigenen in Berührung gekommen sind, dann können sie sich lebenslang daran „erinnern“ und bei einem erneuten Kontakt sofort wieder Abwehrmaßnahmen einleiten. Ein typisches Beispiel dafür sind Masern: Wer diese Krankheit einmal gehabt hat, kann sie im Allgemeinen nie wieder bekommen, weil bei einer wiederholten Ansteckung die Masernviren sofort vernichtet werden. Diesen Zustand bezeichnet man als immun beziehungsweise Immunität gegen die Erkrankung. Eine Immunität kann auch durch eine Impfung erworben werden.

Das erworbene Immunsystem benötigt einige Zeit, bis die Lymphozyten sich vermehrt haben und die Abwehr ausreichend gerüstet ist, um Angreifer unschädlich machen zu können. Bis dahin hält das angeborene Immunsystem die Stellung. 

Antikörper (Immunglobuline)

Antikörper, die auch als Immunglobuline (Ig) bezeichnet werden, sind Eiweißmoleküle (Proteine). Sie werden von B-Lymphozyten als Reaktion auf Antigene also Krankheitserreger und andere körperfremde Stoffe, aus der Umwelt gebildet und haben verschiedene Aufgaben bei der Abwehr. Man unterteilt die Immunglobuline in fünf verschiedene Klassen: Klasse M (IgM), G (IgG), A (IgA), D (IgD) und E (IgE).

Zu einem Antigen passen immer nur bestimmte, spezifisch gegen dieses gerichtete Antikörper, so wie zu einem Schloss auch nur ein bestimmter Schlüssel passt. Das heißt diese Art der Abwehr richtet sich gegen ein ganz bestimmtes Antigen, beispielsweise ein Virus. Die Antikörper verbinden sich mit den Antigenen und behindern so die Aktivität von Krankheitserregern, neutralisieren Gifte oder erleichtern die Zerstörung von Keimen durch Fresszellen

Die IgE-Antikörper spielen eine zentrale Rolle bei der Auslösung von allergischen Reaktionen. Die Bildung von Antikörpern durch B-Lymphozyten wird auch als humorale (von lateinisch „humor“ = Flüssigkeit) Immunreaktion bezeichnet und dementsprechend von der zellulären, das heißt durch Zellen vermittelten Immunantwort unterschieden.

Die Menge der Antikörper im Blutserum kann gemessen werden. Erhöhte Werte weisen auf eine (verstärkte) Reaktion des Immunsystems hin, die am häufigsten durch Infektionen oder Allergien ausgelöst wird.

Botenstoffe

Neben Zellen und Antikörpern spielen Botenstoffe (Mediatoren) eine bedeutende Rolle bei immunologischen Reaktionen. Dabei handelt es sich um hormonähnliche Substanzen oder andere Proteine die in bestimmten Zellen gebildet und bei Bedarf ausgeschüttet werden. Dazu zählen Zytokine wie Interleukine (IL) oder Interferone (IF). Sie dienen der Informationsübertragung, indem sie Signale zwischen Beteiligten des Immunsystems weitergeben. Diese führen beispielsweise dazu, Immunzellen anzulocken oder zur Vermehrung anzuregen. Botenstoffe, die bei allergischen Reaktionen eine wichtige Rolle spielen, sind Histamin Prostaglandine und Leukotriene, die aus speziellen weißen Blutzellen wie etwa den Mastzellen freigesetzt werden. Neben den Botenstoffen spielen auch einige Enzyme eine Rolle bei der Immunantwort.

Die Rolle von Histamin

Histamin ist ein Botenstoff, der bei allergischen Reaktionen vom Soforttyp eine herausragende Rolle spielt. Es wird in sogenannten Mastzellen und einer Unterart der weißen Blutzellen, den basophilen Granulozyten, gespeichert und auf bestimmte Signale hin ins Gewebe freigesetzt. Dort löst es abhängig vom betroffenen Organ verschiedene Wirkungen aus, die letztlich zu den Symptomen einer allergischen Reaktion führen (siehe Tabelle). 

Wichtige Wirkungen von Histamin

OrganeWirkungen (Beispiele)
BlutgefäßeErweiterung mit Blutdruckabfall, erhöhte Durchlässigkeit der Gefäßwand
HautGefäßerweiterung mit Rötung und Schwellung (Bildung von Quaddeln)
Sensible NervenSchmerzen, Juckreiz
Tiefe Atemwege (Bronchien)Zusammenziehen (Kontraktion) der Bronchialmuskulatur (v.a. bei Asthma), verstärkte Sekretbildung der Schleimhäute
NaseJuckreiz, Niesen, Schleimhautschwellung, verstärkte Sekretbildung
MagenStimulation der Magensäuresekretion
DarmDarmkrämpfe (durch Zusammenziehung der Darmmuskulatur)
NebennierenrindeAusschüttung von Adrenalin
Herz/KreislaufSteigerung der Herzfrequenz, Blutdruckabfall, Erweiterung der Herzkranzgefäße
Zentrales NervensystemKopfschmerzen


Quelle: modifiziert nach: Trautmann, A., Kleine-Tebbe, J.: Allergologie in Klinik und Praxis. Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart, 2. Aufl. 2013

Vermittler von immunologischen Reaktionen

Ein wichtiger Prozess bei immunologischen Reaktionen ist die so genannte Antigenpräsentation, die bei der Aktivierung von T-Lymphozyten eine wichtige Rolle spielt. Diese besitzen an ihrer Oberfläche Rezeptoren, die speziell zu bestimmten Antigenen passen. Allerdings können "unerfahrene" (naive) T-Zellen fremde Stoffe/ Antigene nicht selbst erkennen. Vielmehr benötigen sie dazu eine Anleitung durch die so genannten Antigen-präsentierenden Zellen (kurz APC), welche die naiven T-Zellen aktivieren. Bei den APC handelt es sich um verschiedene Arten von weißen Blutzellen, vor allem Monozyten, Makrophagen, B-Zellen und so genannte dendritische Zellen (DC). Sie nehmen die Antigene auf und spalten sie in kleinere Bruchstücke (Peptide). Diese Peptide werden durch die APC den T-Lymphozyten „präsentiert“.

Dazu bildet die APC Komplexe aus den Antigen-Bruchstücken und Eiweißstoffen (Proteinen), die an der Oberfläche der APC liegen (sog. MHC-Proteine oder Histokompatibilitätsantigene). Mithilfe dieser Komplexe können Rezeptoren an der Oberfläche der Lymphozyten solche Peptide „erkennen“. Dies führt schließlich dazu, dass die T-Lymphozyten aktiviert werden. Je nach Art der aktivierten T-Zelle werden dann weitere Schritte eingeleitet, etwa entartete oder von Viren befallene Zellen zerstört oder Antikörper gegen Krankheitserreger gebildet.

Ein solcher – hier vereinfacht dargestellter – Prozess läuft auch bei einer allergischen Reaktion ab, nur spricht man dann anstelle von einem Antigen dann von einem Allergen.

In verschiedenen Organen und Geweben befinden sich unterschiedliche Arten von Antigen- bzw. Allergen-präsentierenden Zellen, die jeweils spezielle Eigenschaften besitzen. So auch in der Haut und in den Organen des Atem- und Verdauungstrakts. Beispielsweise spielt in der Haut bei der Entwicklung des atopischen Ekzems unter anderem eine Art von dendritischen Zellen eine wichtige Rolle, die als Langerhans-Zellen bezeichnet werden. Im Atemtrakt sind Fresszellen von zentraler Bedeutung.

Immuntoleranz

Unter immunologischer Toleranz oder Immuntoleranz versteht man eine fehlende oder stark abgeschwächte Immunantwort gegenüber ganz bestimmten Antigenen. Dabei sind Lymphozyten nicht fähig, das betreffende Antigen zu erkennen und/oder mit einer spezifischen Immunantwort darauf zu reagieren. Immuntoleranz betrifft ausschließlich das erworbene, spezifische Immunsystem, ist also nicht angeboren, sondern wird während der Lymphozytenentwicklung erworben. Es handelt sich um eine wichtige Eigenschaft des intakten Immunsystems. Sie bewirkt, dass körpereigene Strukturen vor Autoaggression, also Angriffen durch Immunzellen geschützt werden. Man spricht auch von Selbsttoleranz.

Immuntoleranz besteht auch gegenüber normalerweise harmlosen Substanzen wie Pollen, Tierschuppen oder Nahrungsmittelbestandteilen.

Die Immuntoleranz ist zu unterscheiden von der durch Medikamente hervorgerufenen, allgemeinen Immunsuppression also einer Unterdrückung des Immunsystems, die bei den meisten Medikamenten weniger spezifisch ist.

Quellen

Die hier aufgeführten Leitlinien und Aufsätze richten sich, so nicht ausdrücklich anders vermerkt, an Fachkreise. Ein Teil der hier angegebenen Aufsätze ist in englischer Sprache verfasst.

  • Arshad, H.S. et al.: The effect of parental allergy on childhood allergic diseases depends on the sex of the child. Journal of Allergy & Clinical Immunology, 2012, 130(2): 427-434
  • Biedermann, T. et al. (Hrsg., 2016): Allergologie. Springer, Berlin/Heidelberg, 2. Aufl., ISBN: 9783642372025
  • Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Aktionsplan Allergien - Allergieportal. (eingestellt am 31.12.2012)
  • Darsow, U., Raap, U. (Hrsg.): Allergologie kompakt. Dustri-Verlag, München-Deisenhofen, 2016
  • Frei, T.: Globale Klimaerwärmung und deren Auswirkungen auf die Gesundheit. In: Allergologie, Nr. 8/2017, S. 320-326
  • Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Spezialbericht Allergien, Teil 6 Präventionsstrategien, 2000. (Letzter Abruf: 04.01.2024)
  • Höflich, C.: Klimawandel und Pollen-assoziierte Allergien der Atemwege. In: UMID – Umwelt und Mensch – Informationsdienst Ausgabe 1 (März) 2014. (Letzter Abruf: 04.01.2024)
  • Riiser, A.: The human microbiome, asthma, and allergy. Allergy, Asthma & Clinical Immunology, 2015, 11: 35

Letzte Aktualisierung: 15. November 2018