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Allergisches Asthma - Inhalator
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Risikofaktoren für allergisches Asthma

"Warum ich?", fragt sich mancher oder manche Betroffene nach der Diagnose Asthma. Tatsache ist, dass es sich beim Asthma um eine häufige Erkrankung handelt, die letztlich auf eine genetische Veranlagung zurückzuführen ist. Allerdings manifestiert sich das Asthma nicht bei allen Menschen, die diese Veranlagung aufweisen.

Wissenschaftliche Beratung:

Dr. Katja Nemat, Ärzteverband Deutscher Allergologen (AeDA) c/o Kinderzentrum Dresden-Friedrichstadt

E-Mail: kinderpneumologie@kid-dresden.de

"Warum ich?", fragt sich mancher oder manche Betroffene nach der Diagnose Asthma. Tatsache ist, dass es sich beim Asthma um eine häufige Erkrankung handelt, die letztlich auf eine genetische Veranlagung zurückzuführen ist. Allerdings manifestiert sich das Asthma nicht bei allen Menschen, die diese Veranlagung aufweisen.

Wissenschaftliche Beratung:

Dr. Katja Nemat, Ärzteverband Deutscher Allergologen (AeDA) c/o Kinderzentrum Dresden-Friedrichstadt

E-Mail: kinderpneumologie@kid-dresden.de

Einige Faktoren, welche oft auch mit einem westlichen und städtischen Lebensstil verbunden sind, tragen dazu bei, dass die Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen heutzutage häufiger sichtbar wird als früher. Frühkindliche Prägung, Einflüsse aus der Umwelt – speziell in den ersten Lebensmonaten und sogar bereits vor der Geburt – sowie Faktoren des Immunsystems können die Entstehung der Krankheit begünstigen. Auch Infektionen der Atemwege können bei der Manifestation von Asthma eine Rolle spielen.

Welche Rolle spielt das Immunsystem bei Asthma?

In der Schleimhaut und den Blutgefäßen der Atemwege finden sich zahlreiche Immunzellen, von Mastzellen über verschiedene Typen von Granulozyten bis hin zu T-Lymphozyten. Ihre Aufgabe besteht darin, in die Lunge eindringende Fremdstoffe und Krankheitserreger zu erkennen und darauf zu reagieren.

Bei Asthma tragen diese Immunzellen entscheidend zur Krankheitsentstehung bei – denn sie vermitteln die chronische Entzündung und die Hyperreagibilität der Bronchien, die letztlich die Asthma-Symptome verursacht. Kein Wunder also, dass Immunzellen und die von ihnen ausgeschütteten Botenstoffe im Fokus der Asthma-Forschung stehen.

Regulatorische T-Lymphozyten spielen für die Balance des Immunsystems eine zentrale Rolle. Verschiedene Entzündungsbotenstoffe, sogenannte Interleukine führen dazu, dass einzelne Zellen des Immunsystems überausgeprägt werden und sich krankmachend verhalten.

Die genauen Mechanismen dieser Entzündungsreaktion werden immer besser verstanden. Das hat dazu geführt hat, dass verschiedene neue Medikamente und Antikörper entwickelt wurden, die sich gezielt gegen einzelne Entzündungsbotenstoffe (Interleukine) richten. Entzündungsreaktionen, die nicht durch die TH2-typischen Botenstoffe vermittelt werden, sind aktuell noch weniger gut verstanden und spezifische Therapien fehlen.

Welchen Einfluss haben die Gene bei Asthma?

Dass insbesondere allergisches Asthma eine erbliche Komponente besitzt, steht außer Zweifel. So ist die Wahrscheinlichkeit eines Neugeborenen, an Asthma zu erkranken, um das Dreifache erhöht, wenn ein Elternteil Asthma hat. Interessant ist dabei, dass mütterliches Asthma einen höheren Risikofaktor darstellt als väterliches. Sind beide Eltern betroffen, erhöht sich das Erkrankungsrisiko für das Kind um 60 Prozent.

Vererbt wird aber nicht die Erkrankung selbst, und es gibt auch kein einzelnes Gen, das allein darüber bestimmt, ob ein Mensch Asthma bekommt oder nicht. Bis heute wurden weit mehr als hundert verschiedene Genveränderungen entdeckt, die allesamt mit der Asthma-Entstehung in Verbindung gebracht werden.

Es scheint so, dass das Vorhandensein bestimmter Gene – also die Genkonstellation – Menschen für Asthma anfällig macht. Ob die Asthma-Symptome letztendlich durch Allergene, Infekte oder körperliche Anstrengung ausgelöst werden, wird ebenfalls durch eine Vielzahl von Genen beeinflusst. Damit die Erkrankung zum Ausbruch kommt, müssen allerdings zusätzlich bestimmte Umweltfaktoren einwirken.

Neue Erkenntnisse aus der Epigenetik

Die Gene sind durch die Abfolge der DNA-Bausteine bestimmt und liefern die Vorlage für Eiweiße, Zellen und andere Bestandteile des Körpers. Ob und wie Gene abgelesen werden, rückt zunehmend in das Interesse der Forschung und wird als „Epigenetik“ bezeichnet (vom griechischen „epi“ = darauf, darüber).

Im Gegensatz zu den Genen sind epigenetische Strukturen durch das eigene Verhalten und die Umwelt beeinflussbar. Gleichzeitig sind diese verhaltens- und umweltbedingten epigenetischen Prägungen allerdings auch vererbbar.

Es sind also nicht nur „die Gene“, die eine Erkrankung wie Asthma bedingen. Die Umwelt und das eigene Verhalten wirken sich auf epigenetische Strukturen aus, wodurch die Erbstruktur als Ganzes (Genetik und Epigenetik) verändert wird. So ist beispielsweise bekannt, dass werdende Mütter durch Rauchen epigenetische Veränderungen im Embryo hervorrufen, die das Asthmarisiko der Kinder deutlich steigern. Darüber hinaus konnten Wissenschaftler beobachten, dass sich die Asthma auslösenden epigenetischen Folgen des Rauchens bis in die dritte Generation hinein niederschlagen.

Welcher Zusammenhang besteht zwischen Asthma und Infektionen?

Nicht-allergisches (intrinsisches) Asthma wird mitunter auch „Infektasthma" genannt, wodurch deutlich wird, dass ein Zusammenhang mit Infektionen besteht. Das klassische intrinsische Asthma tritt erst ab der Pubertät auf und entwickelt sich häufig im Anschluss an einen meist durch Viren verursachten Atemwegsinfekt. Die Infektion begünstigt offenbar die Entstehung der chronischen Entzündung, auf deren Boden sich eine Überempfindlichkeit der Bronchien und das Krankheitsbild Asthma entwickeln können.

Asthma und Infektionen im Kindesalter?

Es gibt auch Indizien dafür, dass Infektionen bei der Entstehung des kindlichen Asthmas von Bedeutung sein könnten. Studien zeigen beispielsweise, dass Kinder, die wegen einer Bronchiolitis im Krankenhaus lagen, mit erhöhter Wahrscheinlichkeit später an Asthma erkranken. Diese Entzündung der kleinsten Äste des Bronchialbaums wird beispielsweise durch RS-Viren (= Respiratory Syncytial-Viren) oder Parainfluenza-Viren verursacht.

Auch Atemwegsinfektionen mit Chlamydien und Rhinoviren gelten als begünstigende Faktoren für kindliches Asthma. Wissenschaftler von der University of Massachusetts untersuchten im Tiermodell die dahinter stehenden Prozesse. Dabei stellten sie fest, dass neugeborene Mäuse nach einer Chlamydieninfektion verstärkt die bei allergischem Asthma relevanten IgE-Antikörper produzieren.

Dem stehen Studien gegenüber, nach denen bestimmte Atemwegsinfekte in der frühen Kindheit das Asthma-Risiko senken. Beobachtet wurde außerdem, dass Kinder, die ältere Geschwister haben oder selbst früh den Kindergarten besuchen (und dadurch in frühem Alter häufiger Erkältungsinfekte bekommen), ein niedrigeres Asthmarisiko haben, dies also „Schutzfaktoren“ sind.

Durch den Kontakt mit Infektionserregern entwickelt sich das kindliche Immunsystem möglicherweise entlang eines "nicht-allergischen Pfads". Eine schützende Wirkung ergibt sich daraus auch für andere allergische Erkrankungen. Diese sogenannte Hygiene-Hypothese wurde in zahlreichen epidemiologischen Studien weltweit untermauert durch den Nachweis, dass Kinder, die auf einem Bauernhof aufwachsen, seltener an Asthma erkranken. Der regelmäßige Aufenthalt werdender Mütter und von Babys und Kleinkindern in Kuhställen erwies sich als besonders protektiv. 

Welche genauen Schutz-Faktoren für diesen Effekt verantwortlich sind und in Zukunft vielleicht im Sinne einer Präventionsmaßnahme genutzt werden können, ist ein aktuell anhaltendes Forschungsthema.

Welchen Einfluss hat Rauchen?

Dass aktives Rauchen die Wahrscheinlichkeit an Asthma zu erkranken erhöht, steht außer Zweifel. Dies belegt beispielsweise eine mit jugendlichen Rauchern durchgeführte Studie der Universität Ulm. Die Forscher stellten dabei auch eine Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen Asthma-Risiko und der Dauer des aktiven Rauchens einerseits, sowie der Zahl der täglich konsumierten Zigaretten andererseits fest.

Im Klartext: Je länger und je mehr jemand raucht, desto höher ist das Risiko, an Asthma zu erkranken. Solche Dosis-Wirkungs-Beziehungen gelten in der medizinischen Forschung als verlässlicher Hinweis für einen ursächlichen Zusammenhang. 

Lange Zeit dachte man, dass nur aktives Rauchen schadet. Viele Untersuchungen haben aber gezeigt, dass Passivrauchen ebenfalls einen Risikofaktor für Atemwegserkrankungen und speziell für die Entstehung von Asthma darstellt.

So ist die Erkrankungswahrscheinlichkeit bei Kindern rauchender Eltern signifikant erhöht. Darüber hinaus ist Tabakrauch einer der Hauptauslöser für Asthmaanfälle bei erkrankten Kindern.

Umso wichtiger ist es, den Nachwuchs vor Passivrauch zu schützen. Dies beginnt bereits  in der Schwangerschaft, denn bereits hier gibt es klare Hinweise, dass Rauchen die Asthma-Entstehung begünstigt.

Weitere Umweltschadstoffe

Auch Luftschadstoffe sind ein Risikofaktor. Wohnt ein Kind nahe einer verkehrsreichen Straße, steigt die Wahrscheinlichkeit, als Grundschüler Asthma zu entwickeln, um fast das Dreifache an. Zu diesem Ergebnis kam ein US-amerikanisches Forscherteam anhand der Daten von mehr als 1.500 Kindern, die in der Gegend von Boston leben.

Abbauprodukte von Phtalaten scheinen ebenfalls das Risiko für ein Asthma zu erhöhen. Im Rahmen einer Studie mit einer Geburten-Kohorte aus Leipzig stellt ein Forscherteam fest, dass deutlich mehr Kinder Asthma entwickelten, wenn ihre Mütter einen erhöhten Gehalt des Abbauprodukts Mono-n-butylphthalat (kurz: MnBP) im Urin aufwiesen. Diese Verbindung ist ein Abbauprodukt von Phthalaten. Diese wiederum sind verschiedene chemische Verbindungen, die in der Industrie vorwiegend als Weichmacher für Kunststoffe (insbesondere PVC) dienen. Sie kommen in vielen Alltagsgegenständen vor – zum Beispiel in Bodenbelägen und Tapeten, Kinderspielzeug, Sportgeräten, kunststoffbeschichteten Verpackungsmaterialien und Kosmetika.

Frühe Prägung

In den letzten 40 Jahren ist die Zahl der Asthmatiker stark angestiegen. Eine derart deutliche Zunahme in einem so kurzen Zeitraum lässt sich durch den Einfluss von äußeren Faktoren erklären,

  • ... die bereits in einem sehr frühen Stadium auf die kindliche Entwicklung einwirken (zum Teil schon vor der Geburt).
  • ... die erst in einer späteren Entwicklungsphase zur Ausbildung der Erkrankung führen.
  • ... deren Auswirkungen sich über mehrere Generationen fortsetzen.

Das Zusammentreffen dieser drei Faktoren wird als frühe Prägung oder frühe Programmierung bezeichnet. Der Begriff beschreibt folgendes Phänomen: Wenn gewisse Umweltfaktoren in einem sehr frühen Entwicklungsstadium – also schon im Mutterleib oder gar während der Befruchtung – auf den werdenden Organismus einwirken, können sie einen langfristig prägenden Einfluss auf das Immunsystem haben und so die Krankheitsrisiken des Kindes im späteren Leben bis zum hohen Erwachsenenalter mitbestimmen. 

Eine frühe Prägung kann also schon bei Säuglingen den Grundstock für Asthma legen, der im Kindes-, Jugend- oder Erwachsenalter zum Ausbruch der Krankheit führt.

Es bedeutet weiter, dass sich, selbst wenn ausschließlich die Eltern-Generation bestimmten Umwelteinflüssen ausgesetzt war, die Folgen erst ein oder mehrere Generationen später zeigen können – wenn sich der krankheitsprägende Effekt fortsetzt.

In letzter Zeit gibt es mehr und mehr Hinweise, dass Asthma in Folge einer frühen Fehlprogrammierung während der embryofetalen Entwicklung und/oder in den ersten Lebensmonaten entstehen kann.

Frühe Sensibilisierung im Mutterleib

Mütterliches Asthma erhöht – stärker als väterliches Asthma – das Risiko des Kindes, später selbst Asthmatiker zu werden. Außerdem weiß man, dass eine allergische Sensibilisierung bereits im Mutterleib erfolgen kann. Diese Beobachtungen legen nahe, dass neben der direkten genetischen Vorbelastung für die Höhe des Asthmarisikos auch vorgeburtlich wirksame Mechanismen eine Rolle spielen.

Für die frühe Programmierung spielt die Epigenetik eine entscheidende Rolle. Wie eine Art Markierung bestimmen epigenetische Veränderungen – kurzzeitig oder längerfristig – die Stilllegung oder Aktivierung von Genen. Das bedeutet, dass sowohl die Genkonstellation, als auch das Verhalten und die Umwelt Einfluss auf die Krankheitsentstehung nehmen.

Quellen

Die hier aufgeführten Leitlinien und Aufsätze richten sich, so nicht ausdrücklich anders vermerkt, an Fachkreise. Ein Teil der hier angegebenen Aufsätze ist in englischer Sprache verfasst.

Letzte Aktualisierung:

23. April 2019