Nahrungsmittelallergie: Diagnose
Wissenschaftliche Beratung: Prof. Dr. Margitta Worm und Dr. Imke Reese

Bei den Nahrungsmittelallergien ist die Abgrenzung zu nicht-allergischen Unverträglichkeitsreaktionen schwierig, weil in beiden Fällen vor allem die Magen-Darm Symptome ähnlich sind.
Inhalt:
Persönliches Arztgespräch

Ein wichtiger Bestandteil der Diagnose ist das persönliche Gespräch zur Aufnahme der detaillierten allergologischen Krankengeschichte. Dieses Gespräch wird beim Arzt/Allergologen, aber erneut bei einer allergologisch versierten Ernährungsfachkraft stattfinden. Denn nicht nur der ärztliche Blickwinkel, auch der ernährungstherapeutische sind für die korrekte Diagnose hilfreich. Zur Vorbereitung kann bei chronischen oder in Intervallen wiederkehrenden Beschwerden ein Ernährungs- und Symptomtagebuch nützlich sein. Darin sollten die Betroffenen während zwei bis drei Wochen folgende Angaben, am besten mit Uhrzeit, festhalten:
- Bestandteile der Mahlzeiten
- Getränke
- Verzehr von Süßigkeiten etc.
- auftretende Beschwerden im zeitlichen Zusammenhang mit den Mahlzeiten
- Medikamenteneinnahme
- sonstige Auffälligkeiten in Zusammenhang mit den Beschwerden
Auf das Gespräch selbst kann man sich auch mit Hilfe einer Checkliste vorbereiten. Der Arzt oder die Ärztin bzw. die Ernährungsfachkraft wird Fragen stellen nach:
- bekannten allergischen Erkrankungen
- allergischen Erkrankungen bei Eltern, Geschwistern und Kindern
- Medikamenteneinnahme
- anderen eventuell vorliegenden Erkrankungen
- Anzeichen psychischer Belastung
Anschließend werden die Betroffenen sicher gebeten, die Symptome möglichst genau zu beschreiben:
- Wann treten sie auf?
- Wo treten sie auf?
- Wodurch werden sie verursacht?
- Wie lange halten sie an?
- Wie oft kommen sie vor?
- Spielen körperliche Belastung (Sport, Anstrengung etc.), Schlafentzug, Medikamente, Alkohol, akute Infektionen, allergische Beschwerden während der Pollensaison, Fieber eine Rolle oder verstärken sie die Symptome?
- Was haben die Betroffenen schon unternommen, um sie zu lindern (zum Beispiel Verzicht auf bestimmte Nahrungsmittel)?
Tests bei Verdacht auf eine Nahrungsmittelallergie
Zumeist folgen dann Haut- und/oder gegebenenfalls Bluttests zur spezifischen IgE-Bestimmung. Sie geben Hinweise, ob eine Sensibilisierung des Immunsystems auf ein bestimmtes Allergen vorliegt. Eine solche Sensibilisierung kann, muss aber nicht, mit Symptomen einhergehen. Liegt eine Sensibilisierung vor, aber keine Beschwerden, spricht man von einer stummen Sensibilisierung.
Der wichtigste Hauttest zur Diagnose einer Soforttypallergie ist der Haut-Prick-Test, bei dem die Haut als Reaktionsort gegen verdächtigte Allergene genutzt wird.
Da es nicht für alle Nahrungsmittel geeignete kommerzielle Testlösungen gibt, wird der Hauttest in einigen Fällen mit dem Lebensmittel selbst durchgeführt. In diesem Fall spricht man von einem Prick-zu-Prick-Test, weil mit der Pricklanzette erst in das Nahrungsmittel gestochen wird, um die so erhaltenen Allergene dann unter die oberste Hautschicht einzubringen.
Video: Wie wird eine Allergie festgestellt?
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In einigen Fällen können Hauttests allerdings nicht durchgeführt werden, so zum Beispiel:
- bei Hauterkrankung im Testbereich
- bei Einnahme von Medikamenten, die das Testergebnis beeinflussen könnten (beispielsweise von anti-allergischen Medikamenten, wie Antihistaminika)
- wenn bereits eine schwere anaphylaktische Reaktion auf das zu untersuchende Nahrungsmittel in der Krankengeschichte bekannt ist.
In diesen Fällen sowie bei kleineren Kindern wird der Arzt oder die Ärztin einen Bluttest durchführen.
Allerdings gibt es spezielle Allergieformen, bei denen IgE-Antikörper keine Rolle spielen. In diesen Fällen ist die Erfassung der Krankengeschichte das wichtigste diagnostische Instrument. Ist diese allein nicht aussagekräftig, kann eine Auslassdiät (Eliminationsdiät) und ein darauf folgender Provokationstest unter Arztaufsicht Klarheit schaffen. Hierbei wird das fragliche Allergen beziehungsweise das zu testende Lebensmittel in der Regel über den Mund eingenommen und geschluckt. Der Provokationstest sollte wegen möglicher schwerer Reaktionen idealerweise in einer Klinik stattfinden.
Gut zu wissen:
Diäten zur Diagnostik sind zeitlich begrenzt und sollten bei IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergien maximal 7-14 Tage dauern.
Diagnosemethoden: Eliminationsdiät ("Auslassdiät") und Provokationstest
Zur Sicherung des Verdachts einer Nahrungsmittelallergie kann eine diagnostische Eliminationsdiät durchgeführt werden. Dies ist bei chronischen Beschwerden sinnvoll, um zu prüfen, ob die Beschwerden bei Meidung des verdächtigten Nahrungsmittels ausbleiben.
Eine Eliminationsphase von mehr als ein- bis zwei Wochen Dauer ist laut Leitlinie bei IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergien nicht sinnvoll, da allergische Reaktionen nach Elimination des Auslösers schnell ausbleiben. Werden diagnostische Eliminationsdiäten unnötig lange beibehalten, gehen sie mit dem Risiko einher, eine vorher noch vorhandene Toleranz zu verlieren.
In der Eliminationsphase wird beobachtet, ob die Allergiesymptome sich bessern bzw. ausbleiben. Am Ende steht ein Provokationstest unter ärztlicher Aufsicht. Wenn die Symptome dabei wieder auftreten, ist das Allergen gefunden.
Kleinkindliche Allergien gegen Kuhmilch, Hühnerei, Weizen und Soja gehen häufig innerhalb der ersten Lebensjahre von selbst zurück. Deshalb empfiehlt die Leitlinie, einen Provokationstest gegen diese Nahrungsmittel in regelmäßigen Abständen zu wiederholen.
Wissenschaftliche Beratung
Prof. Dr. Margitta Worm
Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie e.V.
c/o Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie, Allergie-Centrum-Charité
E-Mail: margitta.worm@charite.de
Dr. Imke Reese
Deutsche Gesellschaft für Alleroglogie und Immunologie, AG Nahrungsmittelallergie
c/o Ernährung & Allergologie, München
E-Mail: info@ernaehrung-allergologie.de
Quellen:
Die hier aufgeführten Leitlinien und Aufsätze richten sich, so nicht ausdrücklich anders vermerkt, an Fachkreise. Ein Teil der hier angegebenen Aufsätze ist in englischer Sprache verfasst.
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Letzte Aktualisierung:
13. Oktober 2023