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geschnittenes Brot
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Zöliakie

Wissenschaftliche Beratung:

Dr. Katja Nemat, Ärzteverband Deutscher Allergologen (AeDA), Kinderzentrum Dresden-Friedrichstadt

E-Mail: kinderpneumologie@kid-dresden.de

Wissenschaftliche Beratung:

Dr. Katja Nemat, Ärzteverband Deutscher Allergologen (AeDA), Kinderzentrum Dresden-Friedrichstadt

E-Mail: kinderpneumologie@kid-dresden.de

Was ist Zöliakie?

Bei der Zöliakie (früher: Sprue) löst das Klebereiweiß Gluten, das in vielen Getreiden vorkommt, eine chronische Entzündungsreaktion im Dünndarm aus. Menschen mit Zöliakie müssen daher auf die Getreidesorten, die Gluten enthalten - wie Weizen, Roggen, Gerste, Dinkel oder Grünkern-, komplett verzichten.

Noch ist die Erkrankung nicht völlig verstanden. Zöliakie ist eine Autoimmunerkrankung, das Immunsystem schädigt bei der Erkrankung körpereigene Zellen. Betroffene können aber relativ beschwerdefrei leben, solange sie sich konsequent Gluten-frei ernähren. Damit hat die Zöliakie auch eine gewisse Ähnlichkeit zu einer Nahrungsmittelallergie.  

Symptome

Symptome der Zöliakie im Magen-Darm-Trakt sind Bauchschmerzen, Blähungen, Übelkeit, Unwohlsein, chronische Durchfälle oder – durch die Beeinträchtigung der Fettverdauung - voluminöser salbiger Stuhl (sog. „Fettstuhl“). Durch Veränderungen der Dünndarm-Schleimhaut können auch andere Nährstoffe aus dem Essen nicht mehr gut aufgenommen werden. Dies kann zu Komplikationen führen wie Eisenmangel und Blutarmut (Anämie), Vitamin- oder Mineralstoffmangel, Zahnschmelzveränderungen oder Abbau der Knochenmasse mit erhöhter Knochenbrüchigkeit (Osteoporose). Bei Kindern fällt eine Zöliakie häufig durch eine Gedeihstörung auf (mangelnde Gewichtszunahme, Wachstumsstörung).

Begleitend werden oft auch unspezifische Symptome beobachtet, wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Konzentrationsstörungen und Muskel- oder Gelenkschmerzen.

Eine besondere Manifestation der Zöliakie ist die Hauterkrankung Dermatitis herpetiformis Duhring mit vielgestaltigem Erscheinungsbild. Darüber hinaus ist die Zöliakie häufig mit anderen Autoimmunerkrankungen verbunden wie Diabetes mellitus Typ 1 oder entzündlichen Schilddrüsenerkrankungen (Thyreoiditis).

Entstehung

Bei der Zöliakie greift das Immunsystem körpereigene Eiweiße in der Dünndarmschleimhaut an. Es bilden sich Antikörper der Klasse IgA gegen Gewebe-Transglutaminase (ein Enzym, das unter anderem im Darm vorkommt), beziehungsweise gegen Endomysium (Bindegewebsschicht, die einzelne Muskelfasern umgibt).

Die Immunreaktion gegen die körpereigenen Stoffe wird durch Gluten-Bestandteile ausgelöst, die mit der Nahrung aufgenommen werden. Auf Gluten spezialisierte T-Lymphozyten (bestimmte Immunzellen) vermitteln daraufhin Entzündungsreaktionen im Dünndarm. Normalerweise bildet die Darmschleimhaut Falten, sogenannte Zotten. Diese Zotten vergrößern die innere Oberfläche, über die Nahrungsbestandteile vom Dünndarm aufgenommen werden und ins Blut übertreten können. Bei Zöliakie zerstören die Autoantikörper diese Ausstülpungen, sodass nun weniger Nährstoffe ins Blut gelangen.

Der Prozess wird durch  das Essen weiterer Gluten-haltiger Lebensmittel aufrechterhalten beziehungsweise neu angefacht. Unter Gluten-freier Diät entsteht keine neue Entzündung und die vorhandenen Veränderungen können wieder abheilen. Menschen mit Zöliakie können daher ein beschwerdefreies Leben führen, müssen die Diät jedoch lebenslang einhalten.

Textalternative zu der Grafik "Zöliakie schädigt Dünndarmzotten"

Verbreitung

Die Zöliakie ist relativ häufig: Etwa 2 bis 10 von 1000 Menschen in Deutschland sind davon betroffen. Frauen trifft es deutlich häufiger als Männer. Die Erkrankung kann in jedem Alter erstmals in Erscheinung treten und wird etwa gleich oft bei Kindern und Erwachsenen diagnostiziert.

Risikofaktoren

Bei der Entstehung spielt eine erbliche Veranlagung eine Rolle. Aus Zwillingsstudien weiß man von einer deutlichen familiären Häufung der Erkrankung. Verwandte ersten Grades von Zöliakiepatienten sind zu 5 Prozent bis 15 Prozent ebenfalls betroffen; dieser Anteil liegt für eineiige Zwillinge bei 70 Prozent.

Zwei Risiko-Gene sind bekannt: Bei den meisten Zöliakie-Patientinnen und -Patienten wird eine bestimmte Ausprägung des HLA-Musters (HLA-DQ2 und/oder HLA-DQ8) gefunden. Etwa ein Drittel der deutschen Bevölkerung ist Träger dieser Eigenschaft, jedoch erkranken weniger als ein Prozent.

Folgerichtig bedarf es zusätzlich anderer Einflüsse, damit die Erkrankung ausbricht. In der PreventCD Studie wurde bei Kindern mit erhöhtem genetischem Risiko untersucht, ob das Stillen und eine frühe Zugabe kleiner Mengen von Gluten-haltiger Nahrung das Erkrankungsrisiko senken können. Es zeigte sich jedoch, dass weder das Stillen noch die frühe Einführung von Gluten-haltigem Getreide Einfluss auf das Zöliakierisiko hatten.

Fachleute vermuten, dass etwa Darminfektionen oder Medikamente die Krankheitsentwicklung begünstigen können. Möglicherweise können auch eine Infektion mit dem Pilz Candida albicans, Stress oder hoher Alkoholkonsum eine erhöhte Aktivität der tTG bewirken und so die Entstehung der Zöliakie fördern.

Diagnose

Die Zöliakie-Diagnose stützt sich meist auf folgende Tests:

  • Labortest: Zumeist lassen sich spezifische Autoantikörper gegen Gewebe-Transglutaminase oder Endomysium im Blutserum nachweisen.
  • Entnahme und Untersuchung einer Gewebeprobe aus dem Dünndarm (Biopsie) im Rahmen einer Speiseröhren- und Magenspiegelung: Hier zeigen sich unter dem Mikroskop (histologisch) typische Veränderungen des Schleimhautgewebes, welche auch eine Schweregradabschätzung ermöglichen.
  • Diätversuch: Wenn die Betroffenen unter Gluten-freier Diät keine Beschwerden mehr haben und es zu einem Rückgang der Autoantikörper im Serum kommt, dann ist dies ein diagnostischer Hinweis auf eine Zöliakie. Hier liegt auch ein Unterschied zur Diagnostik von Nahrungsmittelallergien, bei welchen sich unter Diät die Allergie-vermittelnden Antikörper der Klasse IgE nicht zurückbilden – jedenfalls solange die Allergie noch besteht.
  • Gentest zur Bestimmung der Risiko-Gene HLA-DQ2 und HLA-DQ8: Da fast nur Menschen mit diesem HLA-Genotyp erkranken, kann bei negativem Testergebnis eine Zöliakie weitgehend ausgeschlossen werden.  

Für die Diagnosestellung ist es wichtig zu beachten, dass typische Veränderungen unter einer Gluten-freien Diät zumeist nicht mehr nachweisbar sind. Gewebeuntersuchung und Labortest zur Bestimmung von Antikörpern werden deshalb in aller Regel während einer normalen Ernährung, also vor Beginn einer Gluten-freien Diät begonnen. Je schneller nach der Krankheitsentstehung die Diagnose gestellt wird, desto besser können Komplikationen vermieden werden.

Manchmal treten bei einer Weizenallergie ähnliche Symptome wie bei der Zöliakie auf. Diese lässt sich mit einer guten Anamnese und Diagnostik aber leicht unterscheiden.

Behandlung

Die einzige effektive Behandlung besteht darin, Gluten-haltige Lebensmittel strikt zu meiden. Bei einem Großteil der Betroffenen bessern sich die Beschwerden unter Gluten-freier Diät innerhalb von zwei Wochen. Nach drei bis zwölf Monaten geht die Zahl der Antikörper zurück und auch die Dünndarmschleimhaut regeneriert sich. Die therapeutische Diät sollte lebenslang eingehalten werden, um auch Komplikationen und Langzeitfolgen zu verhindern.

Zu den Gluten-haltigen Getreidesorten zählen:

  • Weizen
  • Roggen
  • Gerste
  • Dinkel
  • Kamut
  • Emmer
  • Einkorn
  • Grünkern

Zu den glutenfreien Getreide- und Pseudo-Getreidesorten zählen:

  • Mais
  • Reis
  • Hirse
  • Amarant
  • Buchweizen
  • Quinoa

Hafer, beispielsweise in Form von Haferflocken, wird zumeist ebenfalls vertragen, wenn diese keine Spuren von Gluten aus dem Herstellungsprozess aufweisen. Bei der Diät ist zu beachten, dass Spuren von Gluten sehr oft in verfeinerten Lebensmitteln enthalten sind. Gluten muss nach einer EU-Richtlinie seit 2004 auf Fertigprodukten und seit 2014 auch im Thekenverkauf ausgewiesen werden.

Heutzutage wird in vielen Lebensmittelmärkten eine Vielzahl ausdrücklich Gluten-freier Produkte angeboten. Dies erleichtert es den Betroffenen, die Diät konsequent einzuhalten. Eine professionelle Ernährungsberatung und -schulung hilft. Sie sollte möglichst bald nach der Diagnosestellung beginnen.

Forschung

Da Gluten in vielen Speisen enthalten ist, stellt eine strenge glutenfreie Diät für viele Betroffene eine große Herausforderung dar. In Kantinen, Restaurants oder bei Freunden zu essen, ist beinah nicht möglich. Da die meist deutlich teureren Produkte außerdem nicht immer und überall verfügbar sind, wären weitere Behandlungsmöglichkeiten sehr hilfreich. Erforscht werden unter anderem folgende Ansätze:

Enzym-Therapie mit Propylpeptidasen (PEPs)

Würde Gluten bereits im Darm in kleinere Einzelteile zerlegt, könnte es die schädliche Immunreaktion nicht mehr hervorrufen. Verschiedene Mikroorganismen und Pflanzen verfügen über entsprechende Enzyme (sogenannte Propylpeptidasen). Diese Eiweißstoffe können Gluten so weit abbauen, bis „mundgerechte“ Stücke für körpereigene Enzyme entstehen. Es ist bereits gelungen, solche Propylpeptidasen aus Bakterien zu gewinnen. Allerdings ist die Herstellung sehr aufwändig und teuer. Zudem muss ihre Wirkstärke und Langzeitsicherheit noch belegt werden.

Gewebstransglutaminase-Inhibitoren

Gluten-Bestandteile fachen meist erst dann die Immunreaktion an, wenn sie durch die sogenannte Transglutaminase 2 (TG2) verändert wurden. Möglicherweise könnte also auch dieser Schritt ein Ansatzpunkt für eine Therapie sein. Erste Labortests lieferten positive Ergebnisse für eine Hemmung der Transglutaminase. Da über mögliche Nebenwirkungen noch wenig bekannt ist, sind weitere Untersuchungen nötig.

Weiterführende Informationen

Quellen

Die hier aufgeführten Leitlinien und Aufsätze richten sich, so nicht ausdrücklich anders vermerkt, an Fachkreise. Ein Teil der hier angegebenen Aufsätze ist in englischer Sprache verfasst.

  • Biedermann, T. et al. (Hrsg., 2016): Allergologie. Springer, Berlin/Heidelberg, 2. Aufl., ISBN9783642372025 
  • Dellon, E.S. et al.: ACG Clinical Guideline: Evidenced Based Approach to the Diagnosis and Management of Esophageal Eosinophilia and Eosinophilic Esophagitis (EoE). In: Am J Gastroenterol, 2013, 108: 679–692
  • Felber, J. et al.: S2k-Leitlinie Zöliakie, Weizenallergie und Weizensensitivität. In: Gastroenterol, 2014, 52: 711-743
  • Kagnoff M.F.: Celiac disease: pathogenesis of a model immunogenetic disease. J Clin Invest. 2007;117(1): 41-9.
  • Kleine-Tebbe, J. et al.: Rationale Diagnostik von Nahrungsmittelallergien. In: Allergologie, 2016, 9: 409-424
  • Marti, T. et al.: Propyl endopeptidase-mediated destruction of T cell epithopes in whole gluten:chemical and immunological characterization. J Pharmacol Exp. 2005; 312:19-26
  • Müller, F., Bachmann, O.: Nahrungsmittelallergie. In: Darsow, U., Raap, U. (Hrsg.): Allergologie Kompakt. Dustri Verlag 2016
  • Papadopoulo, A. et al.: Management Guidelines of Eosinophilic Esophagitis in Childhood. In: JPGN, 2014, 58: 107-118
  • Schuppan, D., Zimmer, K.P.: Diagnostik und Therapie der Zöliakie. In: Dtsch Arztebl Int, 2013, 110 (49): 835-46
  • Sulic, A-M.: Transglutaminase as a therapeutic target for celiac disease. In: Expert Opinion on Therapeutic Targets. (2014) doi: 10.1517/14728222.2014.985207.
  • Zopf, Y. et al.: Differenzialdiagnose von Nahrungsmittelunverträglichkeiten. In: Dtsch Ärztebl Int, 2009, 106 (21): 359-370

Letzte Aktualisierung: 13.08.2019