Latexallergie - Was ist das?
Wissenschaftliche Beratung: Prof. Dr. Dennis Nowak und Dr. Caroline Quartucci

Bei einer Latexallergie reagiert das Immunsystem übermäßig auf den Saft des Kautschukbaumes beziehungsweise auf daraus hergestellte Produkte. Menschen, die häufig Kontakt mit solchen Produkten haben, sind daher besonders häufig davon betroffen. Die Latexallergie tritt daher oft im beruflichen Kontext auf – etwa bei medizinischem Personal.
Inhalt:
Formen der Latexallergie
Es gibt zwei Formen der Latexallergie:
- Soforttyp-Allergie: Sind Eiweiße im Naturlatex der verursachende Stoff, so entsteht eine Allergie vom Soforttyp. Das heißt, die Betroffenen sensibilisieren sich durch den Erstkontakt mit dem Allergen. Bei einem weiteren Kontakt tritt die allergische Abwehrreaktion dann binnen Minuten ein. Erste Latexallergie-Symptome betreffen häufig die Atemwege, seltener die Haut. Dabei entstehen dann juckende Quaddeln, die sogenannte Nesselsucht (Urtikaria).
- Spättyp-Allergie (Kontaktallergie): Wenn Zusatzstoffe, die dem Naturlatex im Laufe der Produktion beigemischt werden, die Allergie auslösen, entsteht eine Allergie vom Spättyp. Sie macht sich durch Hautausschläge (Ekzeme) bemerkbar und tritt erst mehrere Stunden oder Tage nach dem Latex-Kontakt auf. Man bezeichnet diese Reaktion auch als Kontaktallergie.
Was ist Latex?
Latex ist der milchige Saft des Kautschukbaumes (Hevea brasiliensis), in Deutschland auch als Gummibaum bekannt. Während der Kautschukernte wird der Baum angeschnitten, der Saft läuft heraus. Nach einigen chemischen Verarbeitungsschritten wird daraus einer der Grundstoffe industrieller Produktion – Gummi.
Entstehung der Latexallergie
Über die Atemwege und die Schleimhäute können Eiweißbestandteile des Naturlatex das Immunsystem aktivieren. Beim Erstkontakt wird das Immunsystem sensibilisiert. Kommt es zu einem weiteren Kontakt, „erkennen“ die spezifischen IgE-Antikörper das Latexallergen und können die Immunabwehr auslösen.
Bislang sind 15 Allergene des Naturlatex identifiziert. Besonders häufig war in den 1990er Jahren der Sensibilisierungsweg über gepuderte Latexhandschuhe. Durch den Hautschweiß konnten sich die wasserlöslichen Latexallergene an das Puder binden, wurden beim An- und Ausziehen der Handschuhe in der Luft verteilt und von den Beschäftigten eingeatmet.
Die Gefahr, dass Latex zum Auslöser einer Kontaktallergie wird, entsteht im Laufe der Produktion von elastischem Gummi aus Naturlatex. Dies geschieht in einem chemischen Prozess, der Vulkanisation. Dabei wird aus Naturkautschuk das elastische Gummi. Einer der wirksamsten Beschleuniger dieses Prozesses sind hinzugesetzte Thiurame oder Thirame. Sie können beim Menschen Hautsymptome verursachen.
Schutzmaßnahmen greifen nur teilweise
Ein Bündel an Maßnahmen sorgte in den 1990er Jahren dafür, dass die Latexallergie aus den Schlagzeilen verschwand. So ist es nicht mehr erlaubt, Latexhandschuhe zu pudern. Außerdem sind deutsche Arbeitgeber seit Ende 1997 verpflichtet, Naturlatex-Handschuhe gegen allergenarme oder latexfreie Produkte auszutauschen. Das hat einen wesentlichen Faktor bei der Allergieentstehung zurückgedrängt – zumindest, was die medizinischen Berufe betrifft.
Die zulässige Menge der Thiurame wurde begrenzt. Hersteller mussten sie gegen weniger Allergie-erzeugende Substanzen austauschen. Das hat einen spürbaren Rückgang der Kontaktallergien vom Spättyp bewirkt.
Aktuelle Studien zeigen den, durch die ergriffenen Schutzmaßnahmen bedingten Rückgang der Latexallergien in den meisten westlichen Ländern an. In anderen Ländern, in denen bisher keine oder nur wenig Schutzmaßnahmen betrieben werden, ist die Latexallergie jedoch weiterhin ein Problem.
Synthetischer Kautschuk als Alternative
Heute werden mehr als 60 Prozent des Bedarfs mit synthetischem Kautschuk gedeckt. Dieser enthält keine Proteine, was die Allergieproblematik – bis auf seltene Hautausschläge – fast eliminiert. Trotzdem steigt parallel dazu auch die Produktion an Naturkautschuk weiter an. Denn im Vergleich mit dem Naturprodukt gibt es bei synthetischem Latex Probleme mit Qualität, Haltbarkeit und den verwendeten Chemikalien.
Es gibt etwa 40.000 Konsumartikel, die Naturlatex enthalten und somit bei sensibilisierten Personen die Latexallergie auslösen können. Durch Änderungen im Herstellungsprozess ließe sich auch hier Einiges steuern. Wenn das Rohmaterial schnell verarbeitet wird, bleiben mehr potentiell allergene Proteinreste zurück als bei älterem und häufiger gewaschenem Material.
Wissenschaftliche Beratung
Prof. Dr. Dennis Nowak
Klinikum der Universität München
Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin
E-Mail: dennis.nowak@med.uni-muenchen.de
Dr. Caroline Quartucci
Klinikum der Universität München
Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin
Quellen:
Die hier aufgeführten Leitlinien und Aufsätze richten sich, so nicht ausdrücklich anders vermerkt, an Fachkreise. Ein Teil der hier angegebenen Aufsätze ist in englischer Sprache verfasst.
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Letzte Aktualisierung:
20. August 2020